Tarifabschluss für M+E-Industrie in Nordrhein-Westfalen

Die Tarifparteien der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie haben den in der Vorwoche in Baden-Württemberg vereinbarten Pilot-Abschluss im Wesentlichen übernommen. Der Präsident des Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (METALL NRW), Arndt G. Kirchhoff, sagte am Mittwoch nach der 4. Tarifverhandlung für die rund 700.000 Beschäftigten dieses Industriezweigs an Rhein und Ruhr in Düsseldorf, der Kompromiss sei „teuer und komplex, biete aber zugleich zahlreiche flexible Elemente eines modernen Tarifvertrages“. Den Unternehmen stünde jetzt mehr bedarfsgerecht einsetzbares Arbeitszeitvolumen zur Verfügung, bei den zusätzlichen Teilzeitansprüchen der Beschäftigten seien betriebliche Erfordernisse hinreichend berücksichtigt. Die Arbeitgeber hätten damit wesentliche Verhandlungsziele erreicht und einen großen Schritt auf dem Weg zu einer innovativen Arbeitswelt geschaffen.

Die Tabellenerhöhungen der kommenden beiden Jahre bezeichnete der NRW-Metallarbeitgeberpräsident für die Unternehmen als „schmerzhaft und teuer“. „Gemessen an der langen Laufzeit und im Vergleich der Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre liegt die Belastung der Unternehmen aber im Rahmen des Vetretbaren“, betonte Kirchhoff. Um so wichtiger sei es, dass es gelungen sei, eine dauerhafte Differenzierungsmöglichkeit für schwächere Betriebe zu vereinbaren. Gerade die NRW-Metallarbeitgeber hätten das Element der Differenzierung immer wieder eingefordert.

Das Verhandlungsergebnis im Einzelnen:

  • Mindestlaufzeit des Tarifvertrags: 27 Monate (1. Januar 2018 – 31. März 2020)
  • Zwei Nullmonate Januar und Februar 2018
  • Einmalzahlung für den März 2018 in Höhe von 100 €
    (Auszubildende 70 €)
  • Erhöhung der Monatsgrundentgelte und Ausbildungsvergütungen um 4,3 Prozent ab 1. April 2018
  • 2019 Einführung einer neuen jährlichen Einmalzahlung Tarifliches Zusatzgeld („T-ZUG“) in zwei Komponenten für alle Beschäftigten und Auszubildenden, auszahlbar im Juli:
    T-ZUG (A) in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsentgelts (für berechtigte Beschäftigte umwandelbar in Freistellungstage), T-ZUG (B) für alle gleich hoch (400 Euro bei Vollzeit für 2019 bzw. 200 Euro für Auszubildende, danach 12,3 % des Entgelts der Entgeltgruppe 8 bzw. der jeweiligen Ausbildungsvergütung), T-ZUG (B) kann 2019 und in den Folgejahren betrieblich verschoben, reduziert oder ganz gestrichen werden (dauerhafte Differenzierungsmöglichkeit)
  • Beschäftigte mit erhöhten privaten und beruflichen Belastungen (Kinder bis 8 Jahre, häusliche Pflege von Angehörigen mit mindestens Pflegegrad 1, Schichtarbeiter ab bestimmter Dauer in Schichtarbeit 6 sowie bestimmter Betriebszugehörigkeit) können statt der Auszahlung des T-ZUG (A) acht freie Tage / Jahr wählen (für Eltern und Pflegende maximal zweimal pro Kind und Pflegefall)
  • Anspruch für alle Beschäftigten in Vollzeit auf „Verkürzte Vollzeit“ mit Rückkehrrecht: Begrenzt auf 6 bis 24 Monate und Absenkung auf bis zu 28 Wochenstunden; Ablehnung aus betrieblichen Gründen möglich (wenn kein Ersatz für das ausfallende Volumen gefunden wird oder bereits zehn Prozent aller Beschäftigten in „verkürzter Vollzeit“ sind)
  • Grundsätzliche Beibehaltung der Quote von max. 18 Prozent der Beschäftigten, mit denen 40-Stunden-Verträge vereinbart werden dürfen
  • Aber erweiterte Möglichkeit einer Quotenanhebung auf 30 Prozent per Betriebsvereinbarung, wenn ein Fachkräftemangel nachgewiesen werden kann oder eine Zeitarbeitsbetriebsvereinbarung geschlossen wird
  • Erweiterte Möglichkeit der Anhebung auf 50 Prozent („Strukturquote“) insbesondere für Betriebe mit vielen Fachkräften per Betriebsvereinbarung, wenn im Betrieb mindestens 50 Prozent der Beschäftigten in der EG 11 (bisher: EG 13) oder höher eingestuft sind
  • Neues Widerspruchsrecht des Betriebsrates bei Überschreitung der vorgenannten Quoten (bei 18-Prozent-Quote allerdings erst, wenn diese um vier Prozentpunkte = 22 Prozent überschritten ist)
  • Möglichkeit für die Betriebe, statt einer der vorgenannten Quotenregelungen auf ein „Volumenmodell“ zu wechseln; Festlegung dieses kollektiv zulässigen Arbeitszeitvolumens auf durchschnittlich 35,9 Stunden pro Woche (ergibt sich aus 18 Prozent 40-Stündler und 82 Prozent 35-Stündler); Effekt: Jeder Teilzeitbeschäftigte eröffnet die Möglichkeit für zusätzliche 40-Stunden-Verträge (Bsp.: Ein Teilzeiter 20 Stunden (15 Stunden weniger) ermöglicht 3 zusätzliche 40-Stündler (3 x 5 Stunden)); Kombimodell mit erweiterten Quoten 30 bzw. 50 Prozent möglich (kollektives Volumen dann 36,5 bzw. 37,5 Stunden); Widerspruchsrecht des Betriebsrats bei Überschreitung des jeweiligen kollektiven Volumens
  • Betriebe, die mit der heutigen Quotenwelt gut leben können, können den Verbleib in der „alten Tarifwelt“ erklären
  • Möglichkeit für alle Betriebe, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat aus Zeitkonten zusätzlich zu den vorgenannten Arbeitszeitverlängerungen bis zu 50 Stunden pro Jahr per Auszahlung auszubuchen / ohne Zuschläge auszuzahlen (dies entspricht rechnerisch pro Woche gut eine Stunde mehr Volumen)
  • Tarifliche Rahmenregelung für eine freiwillige Betriebsvereinbarung zu „Mobilem Arbeiten“ (keine Zeitzuschläge und auf 9 Stunden verkürzte Ruhezeiten)
  • Ein zusätzlicher Freistellungstag für Auszubildende vor Abschlussprüfungen