50 Milliarden Euro Entlastungen
(cs) Die neue schwarz-rote Koalition hat ihren Koalitionsvertrag vorgestellt – mit zahlreichen Versprechungen für Entlastungen in Milliardenhöhe. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) summieren sich die Maßnahmen auf über 50 Milliarden Euro pro Jahr bis zum Ende der Legislaturperiode. Doch der große wirtschaftspolitische Wurf bleibt aus, kritisieren Experten.
„Eine Wirtschaftswende“ hatte CDU-Chef Friedrich Merz noch im Wahlkampf angekündigt. Jetzt muss er sich an den konkreten Zahlen und Maßnahmen messen lassen. Denn die Liste an versprochenen Entlastungen ist lang – ebenso die Liste der Fragezeichen.
Besonders drei Maßnahmen sollen laut IW große Impulse setzen:
Degressive Abschreibungen für Investitionen
Unternehmen sollen in den Jahren 2026 bis 2028 von einer 30-prozentigen degressiven Abschreibung profitieren können – eine Maßnahme, die laut IW rund sieben Milliarden Euro jährlich entlastet. Diese Regelung soll Investitionen früher und in größerem Umfang auslösen. Doch der Haken liegt im Detail: In den Folgejahren zahlen Unternehmen über höhere Steuerlasten faktisch wieder drauf. Eine strukturelle Entlastung ist das nicht.
Schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer
Ab dem Jahr 2028 soll die Körperschaftsteuer in fünf Jahresschritten jeweils um einen Prozentpunkt gesenkt werden. Das würde im ersten Jahr rund vier Milliarden Euro Entlastung bringen. Doch ein international wettbewerbsfähiges Niveau würde Deutschland laut IW erst 2032 erreichen. „Ein guter Schritt – aber viel zu spät“, kommentieren Ökonomen.
Strompreis-Entlastungen für Industrie
Die Kombination aus einer abgesenkten Stromsteuer, gedeckelten Netzentgelten und einem subventionierten Industriestrompreis soll der energieintensiven Industrie spürbar helfen. Elf Milliarden Euro werden hier veranschlagt – finanziert aus der CO₂-Abgabe. „Das ist ein wichtiges Signal an die Industrie“, sagt ein IW-Sprecher, „aber es kommt spät – und bleibt abhängig von politischen Prioritäten.“
Auch bei der Einkommensteuer gibt es moderate Entlastungen. Zwar wurde die große Reform vertagt, doch kleinere Anpassungen – höhere Freibeträge für Rentner, Alleinerziehende und Ehrenamtler sowie steuerfreie Überstunden – summieren sich laut IW immerhin auf rund sieben Milliarden Euro jährlich. Ob das reicht, um neue wirtschaftliche Dynamik auszulösen, bleibt fraglich.
Kritik an Prioritäten: Mütterrente statt Soli-Abbau
Zu den umstrittenen Maßnahmen zählt vor allem der Verzicht auf die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Der Soli sei „längst zu einer verkappten Unternehmenssteuer mutiert“, kommentiert das IW. Stattdessen investiert die Koalition vier Milliarden Euro in die Mütterrente – und ebenfalls vier Milliarden in die Beibehaltung der abgesenkten Mehrwertsteuer für die Gastronomie. Dazu kommen Ausgaben für Frühstart-Rente, höheres Elterngeld, das Deutschlandticket, das BAföG und diverse Subventionen. In Summe: zwölf Milliarden Euro.
„Diese Vielzahl kleiner Maßnahmen ergibt ein Sammelsurium von Einzelinteressen, aber kein konsistentes wirtschaftspolitisches Konzept“, heißt es aus Unternehmerkreisen. Arndt G. Kirchhoff, Präsident von unternehmer nrw, äußert sich kritisch: „Viele der Maßnahmen gehen in die richtige Richtung – aber an entscheidenden Stellen fehlt der Mut zum echten Strukturwandel.“ Kirchhoff fordert: „Was wir brauchen, ist eine Politik, die entschlossen Wettbewerbsfähigkeit stärkt – nicht kleinteilige Symbolpolitik betreibt.“
Finanzierung bleibt offen
Ob die 50 Milliarden Euro Entlastung tatsächlich kommen, bleibt allerdings offen. Denn der gesamte Koalitionsvertrag steht unter Finanzierungsvorbehalt. Die Umsetzung vieler Maßnahmen hängt von der Haushaltslage und politischem Willen ab.
„Es ist gut, dass Bewegung in die Debatte kommt“, so ein Unternehmer aus Düsseldorf. „Aber wir brauchen mehr als Bewegung – wir brauchen Verlässlichkeit und Geschwindigkeit.“