Metall + Elektroindustrie: zweite Runde in Münster – vier von elf Tarifbezirken setzten Gespräche am Dienstag fort – Angebot der Arbeitgeber

Heute fand in Münster die zweite Verhandlungsrunde der Tarifverhandlungen für die nordrhein-westfälischen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie statt. Vor dem Hintergrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen standen beide Tarifparteien vor komplexen und herausfordernden Verhandlungen. Am Dienstag setzten gleich vier der elf Tarifbezirke die Gespräche fort. In dieser Runde wurde auch ein Angebot der Arbeitgeber erwartet.


Von Christoph Sochart am 15.10., 14:00 Uhr; Update: 17:30 Uhr


Über eines sind sich Arbeitgeber und Gewerkschaften einig: Die Lage in der größten Industriebranche in NRW ist nicht gut. Doch welche Konsequenzen daraus gezogen werden müssen, darüber hatten die IG Metall und der Arbeitgeberverband auch heute wieder heftig diskutiert.

Die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen, die rund 700.000 Menschen beschäftigt, darunter 420.000 in tarifgebundenen Unternehmen, befindet sich in einer schwierigen Phase. Die Produktion lag im ersten Quartal 2024 sieben Prozent unter dem Vorjahresniveau und 14 Prozent unter dem Niveau von 2018. Zwei von fünf Unternehmen berichten von Auftragsmangel, während die Auftragseingänge um weitere sieben Prozent gesunken sind.

Michael Grütering erklärte am Montag in der Rheinischen Post: „Die Hoffnung auf mehr Wachstum in 2024 hat sich nicht erfüllt.“ Neben Auftragsrückgängen litten die Unternehmen auch unter der starken Steigerung der Energiekosten. „Ich denke, dass die IG Metall eigentlich wissen müsste, dass ihre Forderung angesichts der Wirtschaftslage nicht erfüllbar ist“, fügte er hinzu. Die Gewerkschaft sei in den Betrieben gut vernetzt und wisse sehr wohl, „dass die Lage vielerorts nicht rosig ist“ (Quelle: Rheinische Post).

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Vor diesem Hintergrund plädierte Michael Grütering unter anderem dafür, die Arbeitgeber differenzierter zu betrachten. Noch immer gebe es starke Industrieunternehmen in der Stadt, aber es gehe bei weitem nicht allen Unternehmen gleich gut. „Daher werden wir auf jeden Fall weiterhin eine stärkere Differenzierung brauchen, wenn es um den Tarifabschluss geht. Festzustellen ist auf jeden Fall ein Produktionsrückgang und das sind Zeichen einer schleichenden Deindustrialisierung. Hier müssen wir echt aufpassen.“

Zum Auftakt der Verhandlungen hatte die IG Metall angekündigt, Warnstreiks zu planen. Diese wären nach Ablauf der Friedenspflicht zulässig – sie endet in der Nacht auf den 29. Oktober.

Angebot vorgelegt

Und so legten die Arbeitgeber heute auch in Münster nicht unerwartet ein Angebot vor, um in der Tarifrunde zu einer schnellen Lösung zu gelangen.

Das Angebot der Arbeitgeber sieht vor:

+ Eine Tabellenerhöhung in zwei Stufen von insgesamt 3,6 Prozent innerhalb einer Laufzeit von 27 Monaten.

+ Die beiden Stufen setzen sich zusammen aus einer Tabellenerhöhung von 1,7 Prozent ab dem 1. Juli 2025 sowie einer Erhöhung der Tabelle von weiteren 1,9 Prozent ab dem 1. Juli 2026.

+ Überdies ist eine einmalige überproportionale Anhebung der Auszubildendenvergütung in diesem Tarifabschluss im Rahmen eines Gesamtpaketes vorstellbar.

+ Darüberhinaus sind die Metallarbeitgeber bereit, mit der IG Metall über Korrekturen im Bereich der tariflichen Freistellungszeit zu sprechen. Die Ergebnisse einer hierfür einzusetzenden Arbeitsgruppe beider Tarifparteien werden Teil eines Gesamtpaketes.

+ Das Angebot ist zwingend verbunden mit einer dauerhaft verankerten und ausgeweiteten automatischen tariflichen Differenzierung für Unternehmen in schwieriger wirtschaftlicher Lage.

Das sagt der NRW-Präsident dazu

Der Präsident des Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (METALL NRW), Arndt G. Kirchhoff, bezeichnete das Angebot angesichts der außerordentlich schwierigen wirtschaftlichen Zeiten mit inzwischen sichtbaren Folgen für die Beschäftigung als „fair und sicherheitsstiftend für die Beschäftigten“. Mit Blick auf die extrem schlechte Stimmung in den Unternehmen und die bedrückenden Prognosen von Bundesregierung und Wirtschaftsinstituten für 2025 und 2026 hätten sich die Metallarbeitgeber ausgesprochen schwergetan, ein Angebot mit Tabellenerhöhungen vorzulegen. „Dieses Angebot ist vor allem Ausdruck eines trotz wirtschaftlich äußerst schwieriger Zeiten sehr konstruktiven Ansatzes der Arbeitgeber“, betonte Kirchhoff. Es sei ein Vorschlag, auf dessen Grundlage nun zügig mit dem Ziel einer raschen Einigung weiterverhandelt werden könne. Die Tarifparteien stünden jetzt vor der großen Aufgabe, einen tarifvertraglichen Rahmen zu finden, der die Unternehmen nicht überfordere und zugleich den Beschäftigten hohe Verlässlichkeit biete. Dies werde ein hohes Maß an Realismus und Kompromissbereitschaft erfordern. Kirchhoff forderte die IG Metall auf, endlich den immensen Wettbewerbs- und Kostendruck zur Kenntnis zu nehmen, unter dem die Unternehmen stünden. „Das Bild der wirtschaftlichen Situation in unserer Industrie verdüstert sich von Woche zu Woche weiter. Da darf es keine zwei Meinungen mehr geben“, sagte Kirchhoff. Deshalb benötigten Unternehmen und Beschäftigte jetzt schnell Planungssicherheit auf Basis eines vernunftbezogenen und tragfähigen Abschlusses.

Die deutsche Industrie befinde sich nach Worten des NRW-Metallarbeitgeberpräsidenten inmitten einer handfesten Rezession. Zudem müsse sie eine massive Strukturkrise bewältigen, die sowohl Folge jahrelang falscher wirtschaftspolitischer Weichenstellungen in Deutschland als auch zunehmend protektionistischer Entwicklungen auf den Weltmärkten sei. Gegenüber 2018 sei allein die Produktion in der M+E-Industrie um 20 Prozent zurückgegangen. Dies schlage inzwischen auch auf die Beschäftigung durch, die Personalpläne der M+E-Betriebe seien trotz des gravierenden Fachkräftemangels mittlerweile überwiegend negativ. Viele Standorte und Arbeitsplätze seien bedroht. Zugleich gehe die konjunkturelle Abwärtsspirale ungebremst weiter nach unten. In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres seien die Produktion um 7,1 Prozent, die Bestellungen um 6,4 Prozent und der Absatz um 6,1 Prozent gesunken.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung forderte Kirchhoff die Gewerkschaft auf, die Erwartungen ihrer Mitglieder für die Tarifrunde 2024 zu dämpfen. Die Sieben-Prozent-Forderung sei im Frühjahr mit der Hoffung auf ein besseres zweites Halbjahr beschlossen worden. Dies sei spätestens jetzt völlig unrealistisch, Das Jahr 2024 stehe im Zeichen der Rezession. „Mit unserem Angebot zeigen wir der IG Metall einen langfristigen Weg auf, wie wir diese Tarifrunde lösen können“, erklärte Kirchhoff. Die Tarifparteien stünden mehr denn je in der Verantwortung, „in diesen für unser Land so volatilen Zeiten für Stabilität und Verlässlichkeit zu sorgen“. In dieser schwierigen Lage sei jetzt einmal mehr der Nachweis für eine funktionierende Tarifpartnerschaft im größten deutschen Industriezweig zu erbringen. Er erwarte, so Kirchhoff, dass auch die IG Metall hierzu bereit sei.

Das sagt der Präsident von Gesamtmetall dazu

Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf: „Uns ist dabei bewusst, dass die durch eine solche Erhöhung gegebene Reallohnsicherung in diesen Zeiten einer gehörigen Kraftanstrengung der Unternehmen bedarf. Deshalb muss zwingend die automatische Differenzierung ausgeweitet und dauerhaft fortgeschrieben werden. Dies und die lange Laufzeit sind das Zeichen an die Unternehmen, das Planungssicherheit und Schutz vor Überforderung verbindet.

Unsere Kernaufgabe als Tarifpartner muss sein, den Standort zu stärken. Wenn uns das gelingt, stärken wir auch den Flächentarif. Wir haben als Tarifpartner beide Verantwortung dafür, die Verhandlungen nicht eskalieren zu lassen und rasch zu einem guten Abschluss zu gelangen. Das wäre das Zeichen an die Politik, nun ihrer Verantwortung für den Standort nachzukommen.“

Als Termin für die 3. Tarifverhandlung in NRW wurde der 31. Oktober 2024 in Neuss vereinbart. Der Norden wird sich bereits am 29. Oktober in Kiel treffen.

Rückblick auf den ersten Verhandlungstag

In der ersten Verhandlungsrunde, die am 12. September in Aachen stattfand, brachte die Gewerkschaft IG Metall ihre Forderungen klar auf den Tisch: Eine Lohnerhöhung von sieben Prozent für die 4,6 Millionen Beschäftigten der Branche sowie eine monatliche Erhöhung von 170 Euro für Auszubildende. Diese Forderungen treffen auf eine wirtschaftlich angespannte Situation, die von den Arbeitgebern betont wurde.

Präsident Arndt G. Kirchhoff vom Arbeitgeberverband Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (METALL NRW), betonte, dass eine Erhöhung der Löhne um sieben Prozent angesichts der wirtschaftlichen Lage unrealistisch sei. Kirchhoff warnte vor den Folgen eines überzogenen Tarifabschlusses und rief dazu auf, pragmatische Lösungen zu finden, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Erhalt von Arbeitsplätzen in NRW zu sichern.

Auch die IG Metall sieht die Herausforderungen der Branche und kritisiert seit Monaten zu hohe Energiekosten sowie langwierige bürokratische Hürden. Die Tarifverhandlungen werden in den kommenden Wochen fortgesetzt, und es bleibt abzuwarten, ob NRW erneut einen Pilotabschluss aushandeln wird. Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall in NRW, erklärte, dass Nordrhein-Westfalen bereit sei, diesen zu übernehmen.

Meine Meinung

Eine besondere Rolle kommt in dieser Gemengelage dem Mittelstand zu. Er steht vor erheblichen Herausforderungen, wie die aktuelle Lage verdeutlicht. Obwohl oft nur die großen Konzerne im Fokus stehen, macht der Mittelstand über 96% unserer Wirtschaft aus und ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaftslandschaft. Umso besorgniserregender sind die jüngsten Zahlen und Einschätzungen: Die Auskunftei Creditreform beschreibt den Zustand vieler mittelständischer Unternehmen als „nahezu depressiv“. Das Geschäftsklima ist bereits das zweite Jahr in Folge negativ, die Umsätze gehen zurück, und die Investitionsbereitschaft ist im aktuellen Konjunkturtief auf einem Tiefpunkt.

Passend dazu veröffentlichte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck diese Woche eine weitere alarmierende Zahl: Die Wirtschaft soll 2024 um -0,2 Prozent schrumpfen. Dieser Rückgang verdeutlicht die Herausforderungen, denen der Mittelstand gegenübersteht, und zeigt, dass die konjunkturelle Erholung länger auf sich warten lässt, als viele erhofft hatten. Diese Entwicklungen machen deutlich, wie dringend Unterstützung und gezielte Maßnahmen für diese zentrale Säule unserer Wirtschaft erforderlich sind. Und dazu gehört auch ein solider und fairer Tarifabschluss.

 

Arndt G. Kirchhoff, Präsident METALL NRW