AOK in Düsseldorf: Antibiotika-Verordnungen gehen im Rheinland kontinuierlich zurück – nach Pandemie steigen Zahlen jedoch wieder
Das Wissenschaftliche Institut der Düsseldorfer AOK (WIdO) hat Zahlen für die Entwicklung der Antibiotika-Verschreibung vorgelegt. Demnach sind im Jahr 2022 bundesweit rund ein Viertel aller ambulanten Verordnungen von Medikamenten in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Antibiotika entfallen.
Im langfristigen Trend sinkt die Zahl der Antibiotika-Verordnungen – trotz einer Trendumkehr nach der Corona-Pandemie blieb die Zahl unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Im Rheinland sinkt der Anteil der sogenannten Reserveantibiotika trotz der Lieferengpässe von Arzneimitteln.
Im Rheinland (KV-Region Nordrhein) wurden 2013 mehr als 5,4 Millionen Antibiotika Rezepte von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten ausgestellt, im Jahr 2022 waren es 3,6 Millionen – ein starker Rückgang, der belegt, dass die intensiven Bemühungen um einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika Früchte tragen. „Der kontinuierliche Rückgang von Antibiotika-Verordnungen ist eine gute Nachricht. Werden Antibiotika zu häufig verwendet, lässt deren Wirkung nach, weil die Bakterien resistent werden. Damit verringert sich die Wirksamkeit der Medikamente“, erläutert Werner Haag, Bereichsleiter Leistungen von der AOK Rheinland/Hamburg.
Das WIdO zeigt sich besorgt darüber, dass der Anteil an Reserveantibiotika unter den Verschreibungen mit bundesweit 42 Prozent (im Rheinland 43 Prozent) weiterhin hoch bleibt. Reserveantibiotika sind sogenannte Mittel der zweiten Wahl, für deren Einsatz eine strenge Indikation vorgesehen ist, da ihr Einsatz die Bildung von Resistenzen verstärkt. Ein Grund für den zu hohen Anteil an Reserveantibiotika sind die anhaltenden Lieferengpässe bei Standardantibiotika.
Anlässlich der aktuellen Auswertung weist das WIdO darauf hin, dass neben einer zurückhaltenden Verordnung in der Human- und Tiermedizin auch Wirkstoffe mit neuen Wirkprinzipien benötigt werden, die in der Lage sind, die schon vorhandenen Resistenzen zu überwinden. Das Bundesministerium für Forschung und Wissenschaft hat bereits 2018 für zehn Jahre Forschungsförderung für neue Antibiotika in Höhe von 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. „Diese öffentliche Förderung wird hoffentlich helfen, innovative Arzneimittel an den Start zu bringen. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die öffentliche Hand bei diesen Wirkstoffen nicht doppelt zur Kasse gebeten wird – einmal für Forschungsförderung und andererseits für die von der pharmazeutischen Industrie aufgerufenen hohen Preise“, sagt Helmut Schröder, Geschäftsführer des WIdO.
„Im Rheinland wurden – trotz der Lieferengpässe bei zahlreichen Standardantibiotika – nicht vermehrt Reserveantibiotika verordnet. Ihr Anteil an den von Verordnungen ist von 2013 bis 2022 kontinuierlich gesunken. Das bestätigt, dass Ärztinnen und Ärzte die Verordnungen hinterfragen und sorgsam agieren. Um den Einsatz von Reserveantibiotika jedoch merklich reduzieren zu können, müssen Ursachen für Lieferengpässe behoben werden“, sagt Haag. Hier müsste die Bundesregierung gemeinsam mit der pharmazeutischen Industrie tragfähige Lösungen erarbeiten, ohne die Solidargemeinschaft weiter zu belasten.