Arbeitgeberverband METALL NRW feiert heute 75-jähriges Bestehen
Die nordrhein-westfälischen Metallarbeitgeber haben die Politik davor gewarnt, die Akzeptanz der Tarifautonomie in Deutschland durch vermehrte Eingriffe des Staates weiter zu untergraben. Die ständige Einmischung der Politik bei der Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns, die wiederkehrenden Debatten über die Einführung eines Tariftreuegesetzes sowie die regelmäßigen Diskussionen zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen seien eine massive Gefahr für die Reputation von zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ausgehandelten Tarifverträgen.
„Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten aus gutem Grund, dass sich der Staat aus Lohnverhandlungen komplett raushält“, erklärte der Präsident des Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (METALL NRW), Arndt G. Kirchhoff, anlässlich des 75-jährigen Bestehens seiner Organisation am Dienstag (27.06.) in Düsseldorf. Diese überflüssigen Debatten würden oft ausgerechnet von den gleichen Politikern geführt, die sich über die nachlassende Tarifbindung in den Verbänden beschwerten. „Ich halte dieses Gebaren für scheinheilig, weil es den Flächentarif völlig unnötig noch zusätzlich unter Druck setzt“, erklärte Kirchhoff. Die politische Einmischung sei gefährlich, weil sie sich gerade vor Wahlen eher an den Stimmungskurven von Demoskopen orientiere und weniger an die Richtlinien der Ordnungspolitik halte.
Nach Worten des NRW-Metallarbeitgeberpräsidenten habe die Tarifautonomie in Deutschland in den vergangenen 75 Jahren erwiesenermaßen einen erheblichen Beitrag zum Wohlstand des Landes geleistet. Dies gelte vor allem für den größten Industriezweig Deutschlands, die Metall- und Elektroindustrie. Mit Blick auf die Tarifpartnerschaft in dieser Branche in Nordrhein-Westfalen betonte er, Generationen von Unternehmerinnen und Unternehmern hätten immer wieder in harten Verhandlungen und im Bemühen um einen fairen Ausgleich mit der IG Metall um bundesweit geltende Pilot-Tarifabschlüsse gerungen mit dem Ziel, mehr Flexibilität zu erreichen, Antworten in schweren Krisenzeiten zu finden und für Hunderttausende von Beschäftigten eine faire Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen.
„METALL NRW hat – gerade als Stimme des unsere Industrie prägenden familiengeführten Mittelstandes – viel für das Renommee des Flächentarifs geleistet“, sagte Kirchhoff. Als „tarifpolitische Meilensteine“ bezeichnete er dabei den Krisen-Abschluss im Jahr 2010, als in der Wirtschafts- und Finanzkrise Hunderttausende von Arbeitsplätzen gesichert werden konnten, sowie die beiden Abschlüsse der Jahre 2020 und 2021 während der Pandemie, die den rund vier Millionen Beschäftigten dieses Industriezweigs in einer nie dagewesenen Ausnahmesituation materielle Sicherheit gegeben hätten. Gerade diese drei Abschlüsse seien der Beweis für eine funktionierende und im besten Sinne des Wortes staatstragende Tarif- und Sozialpartnerschaft in Deutschland. „Dessen sollten sich all jene bewusst sein, die immer wieder versuchen, die Tarifautonomie zu schwächen“, so Kirchhoff.
Der Blick in die insgesamt erfolgreiche tarifpolitische Vergangenheit dürfe allerdings nicht die Sicht auf die immensen Herausforderungen des Industriestandorts Deutschland verstellen. Auch in Zukunft drohten immer wieder Verteilungskämpfe. Metallarbeitgeber und IG Metall seien gefordert, auch tarifpolitisch geeignete Antworten auf die schwierige demografische Entwicklung und als deren Folge den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel, die massiven Veränderungen der Arbeitswelt, die zunehmende Heterogenität sowie ohnehin jederzeit auf konjunkturelle, aber auch strukturelle Fragen zu finden. „Tarifpolitik ist immer ein Spagat zwischen den Erwartungen und dem Verkraftbaren“, so Kirchhoff. Umso wichtiger bleibe es, auch in künftigen Tarifrunden wirtschaftliche Vernunft zu beweisen und ganz nah an den wirtschaftlichen Realitäten zu verhandeln.
Die IG Metall mahnte der NRW-Metallarbeitgeberpräsident, mit ihrer Tarifpolitik die im knüppelharten internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen nicht zu überfordern. „Wenn die Gewerkschaft den Flächentarif stärken und vor allem zukunftsfest gestalten will, dann darf sie unsere Betriebe nicht noch einem zusätzlichen Belastungstest ihrer Wettbewerbsfähigkeit aussetzen“, sagte Kirchhoff. Die allgemeine Wirtschaftslage sei derzeit schwierig genug. Überdies hätten sich die Wettbewerbsbedingungen an deutschen Standorten durch einen Mix aus hohen Arbeitskosten, kurzen Arbeitszeiten, hohen Steuern und Abgaben und exorbitant gestiegenen Energiepreisen ohnehin massiv verschlechtert.
Er setze daher auf eine realitätsnahe, pragmatische und vernunftsbezogene Tarifpolitik der Gewerkschaft. In den vergangenen 75 Jahren sei die intensive Suche nach den größtmöglichen Gemeinsamkeiten zumeist erfolgreich gewesen. Eine verantwortungsvolle Tarifpolitik habe immer wieder geholfen, die großen wirtschafts- und sozialpolitischen Herausforderungen im Konsens zu lösen. „Das sollten Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften ungeachtet des erforderlichen Diskurses und der manchmal auch nötigen Konflikte nie vergessen“, betonte Kirchhoff.