Digitalstandort Deutschland in der Krise: IT-Entscheider stellen schlechtes Zeugnis aus – Rechtsunsicherheit bremst KI-Einsatz
(cs) Deutschland droht bei der nächsten Welle der digitalen Transformation ins Hintertreffen zu geraten. Eine aktuelle Befragung im Rahmen des eco Branchenpuls, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des eco – Verband der Internetwirtschaft e. V., zeigt ein alarmierendes Bild: Über ein Drittel der IT-Entscheider:innen bewertet den Zustand des Digitalstandorts Deutschland mit der Schulnote 6. Insgesamt stufen sogar 72 Prozent den Fortschritt der digitalen Transformation als schlecht oder sehr schlecht ein.
Nur 10 Prozent sehen Deutschland gut für die KI-Zukunft aufgestellt
Trotz der zentralen Bedeutung künstlicher Intelligenz für Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft glaubt nur eine kleine Minderheit von zehn Prozent, dass Deutschland ausreichend vorbereitet sei, um von der nächsten KI-Revolution zu profitieren. Damit verfestigt sich der Eindruck, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland im globalen Vergleich weiter zurückfällt – insbesondere gegenüber dynamischeren KI-Märkten wie den USA oder China.
Zwei Drittel der Unternehmen nutzen KI – doch regionale Kluft wächst
Auf Unternehmensebene nutzen bundesweit bereits mehr als zwei Drittel KI-basierte Technologien. Gleichzeitig geben über ein Viertel der Befragten (26,6 %) an, dass der Einsatz von KI-Tools nicht einmal geplant sei. Besonders markant ist die digitale Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland: Während im Westen 71,2 Prozent der Unternehmen KI einsetzen, sind es im Osten lediglich rund 52 Prozent.
Diese Entwicklung beobachtet auch Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des eco Verbands, mit Sorge:
„Die Studie zeigt, dass sich Deutschland beim Einsatz von Zukunftstechnologien weiter auseinander entwickelt. Während Unternehmen im Westen zunehmend auf KI setzen, hemmen im Osten Misstrauen und strukturelle Defizite die Transformation. […] Wenn wir nicht gegensteuern und der Osten schnell nachzieht, riskieren wir eine digitale Zwei-Klassen-Wirtschaft.“
Rechtsunsicherheit bremst Innovationen
Die größten Hürden bei der Einführung von KI-Technologien sehen die Befragten in der unklaren Rechtslage (41 %) – noch vor Sicherheitsbedenken (40 %). Fehlendes Know-how im Unternehmen (rund 30 %) sowie fehlende Geschäftsmodelle und Einsatzgebiete (28 %) folgen als weitere zentrale Herausforderungen.
Besonders die Unsicherheit rund um den europäischen AI Act lastet schwer auf Investitionsentscheidungen. „Leitlinien und Standards sind noch nicht entwickelt, und das nationale Umsetzungsgesetz für den AI Act liegt ebenfalls noch nicht vor“, kritisiert Süme. Die Folge: Unternehmen scheuen notwendige Investitionen aus Angst vor regulatorischen Risiken.
Der eco-Vorstand fordert daher eine schnelle Standardisierung und klare Definitionen, um Planungssicherheit zu schaffen. Denkbar wäre aus seiner Sicht auch, Teile des AI Acts erst dann verpflichtend anzuwenden, wenn die entsprechenden Standards vorliegen.
Deutschland droht den Anschluss zu verlieren
Der Handlungsdruck ist groß: KI gilt als Schlüsseltechnologie, die Produktivitätsverluste ausgleichen und wirtschaftliches Wachstum sichern kann. Doch solange Rechtsunsicherheit, Sicherheitsbedenken und strukturelle Hürden Innovationen ausbremsen, könnte der Standort Deutschland weiter an Boden verlieren.
Die Ergebnisse des eco Branchenpuls zeigen deutlich: Es braucht jetzt klare politische Signale, regulatorische Orientierung und gezielte Investitionen in digitale Kompetenzen, damit Deutschland nicht endgültig den internationalen Anschluss verpasst.


