Fachkräftesicherung: „Dass wir selbst ausbilden, rettet uns“
Bei Gabler Naval, einem führenden Anbieter für Marinetechnik, sind fast alle Stellen besetzt. Welche Rolle Werte, die Betriebskantine, Tarifverträge und der Nachwuchs bei der Fachkräftesicherung spielen, weiß Thomas Godknecht, Leiter der Berufsausbildung des Unternehmens.
Sie suchen aktuell lediglich zwei Praktikanten und nur zwei Lehrstellen sind vakant. Ist der Fachkräftemangel bei Ihnen gar kein Thema?
Doch, der Fachkräftemangel ist ein Thema. Wir sind allerdings eine relativ kleine Firma mit 130 Beschäftigten und einer nicht besonders hohen Fluktuation, deshalb suchen wir momentan wirklich nur diese vier Leute. Wenn unsere Tochterfirma Gabler Thermoform, die sich auch hier an unserem Standort befindet und 60 Beschäftigte hat, beispielsweise einen Elektroniker sucht, gestaltet sich das schon schwierig.
Welche Qualifikation haben die 130 Mitarbeiter Ihres Betriebs?
Fast alle unserer Mitarbeiter sind Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Hochschulabsolventen, darunter viele Ingenieure.
Wenn Sie neue Mitarbeiter suchen, wie finden Sie die?
Wir veröffentlichen unsere Stellenanzeigen meist online, zum Beispiel auf Stepstone, auf unserer eigenen Homepage, innerhalb des Possehl-Konzerns oder auch bei der Arbeitsagentur. Eine wichtige Rolle spielt auch das interne Netzwerk. Inserate in Printmedien schalten wir dagegen selten.
Sie haben die geringe Fluktuation bereits angesprochen: Wie lange sind denn Mitarbeiter bei Ihnen im Schnitt beschäftigt?
Unsere Beschäftigten sind im Durchschnitt rund 16 Jahre bei uns, darauf sind wir auch stolz. Ich selbst bin seit 2000 an Bord und ich kenne ganz viele Kollegen, die schon genauso lange hier sind. Wenn hier einer geht, fällt das sofort auf.
Warum bleiben die Mitarbeiter in Ihrer Firma verhältnismäßig lange im Unternehmen?
Die Rahmenbedingungen bei uns sind gut: Wir sind tarifgebunden, es gibt viele Möglichkeiten, flexibel zu arbeiten, es herrscht ein freundliches, mitunter familiäres Miteinander, wir sind alle per Du – das alles ergibt ein angenehmes Arbeitsklima. Außerdem werden hier Werte wie Fairness und Antirassismus vertreten, die nicht nur in die Belegschaft kommuniziert, sondern auch von den Vorgesetzten vorgelebt sowie vom Betriebsrat unterstützt werden, was ebenfalls zu einer guten Atmosphäre beiträgt.
Unsere Beschäftigten sind im Durchschnitt rund 16 Jahre bei uns. Das liegt auch am angenehmen Arbeitsklima: Wir sind tarifgebunden, es gibt viele Möglichkeiten, flexibel zu arbeiten, es herrscht ein freundliches, mitunter familiäres Miteinander, wir sind alle per Du.
Hinzu kommt das Thema Qualifizierung: Es gibt bei uns ein Verfahren, in dem jeder Mitarbeiter seinen Wunsch nach Weiterbildung äußern kann. Diese Wünsche werden gesammelt und dann wird turnusgemäß entschieden, welche realisiert werden können und welche nicht.
Wie wichtig ist Ihren Mitarbeitern die betriebseigene Kantine?
Die ist wieder wichtiger geworden, nachdem wir den Anbieter gewechselt haben. Allerdings wird sie nur von einer Minderheit genutzt: Von den 180 Beschäftigten hier am Standort in Lübeck gehen etwa 40 regelmäßig dort essen. Viele versorgen sich auch selbst in einer der Pantryküchen, die es an etlichen Orten im Betrieb gibt, und verbringen dann die Pause gemeinsam mit den Kollegen.
Ihr Unternehmen bildet in verschiedenen Berufen aus: Zerspanungsmechaniker, Produktdesigner, Industriemechaniker, IT-Systemelektroniker, Elektroniker, Fachkraft für Lagerlogistik und Industriekaufleute. Welche Anforderungen stellen Sie an die Azubis?
Wir fragen im Vorstellungsgespräch schon ein wenig Allgemeinbildung ab, auch die Mathenote, Teamfähigkeit und Hobbys sowie ein Ehrenamt sind relevant. Außerdem klopfen wir die Einstellung zum Produkt ab, schließlich gibt es ja möglicherweise ethische Bedenken, etwas herzustellen, das bei einem Krieg zum Einsatz kommen könnte.
Haben alle Ihre Azubis Abitur?
Die Art des Schulabschlusses ist für uns nicht so wichtig. Wir stellen sowohl Abiturienten, Realschüler als auch ESA-Absolventen – also das, was früher der Hauptschulabschluss war – als Azubis ein. Wenn Abiturienten, die bei uns erfolgreich eine Ausbildung absolviert haben, dann noch studieren möchten, versuchen wir, diese Kräfte über ein duales Studium oder ein Online-Studium bei uns zu halten. Außerdem absolviert gerade einer unserer Azubis ein StudiLe, das ist eine Berufsausbildung plus Maschinenbaustudium an der TH Lübeck.
Werden bei Ihnen alle Azubis nach bestandener Abschlussprüfung übernommen?
Ja, das ist ja auch im Tarifvertrag der Metall- und Elektro-Industrie im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten vorgesehen. Und das nehmen alle unsere Auszubildenden sehr gerne wahr.
Sie bilden also Ihren Nachwuchs überwiegend selbst aus.
Genau, das ist die Quintessenz und das ist auch etwas, was uns ein Stück weit rettet angesichts der Fachkräfteengpässe.
Haben Sie dennoch einen Wunsch, wie die Politik Sie bei Ihrer Arbeit unterstützen kann?
Bei der Diskussion um den Fachkräftemangel würde ich mir wünschen, dass mehr differenziert wird, um welche Fachkräfte es gerade geht. Wenn man beispielsweise fordert, dass mehr Teilzeitkräfte Vollzeit arbeiten sollen, um den Fachkräftemangel zu lindern, funktioniert das mitunter nur, wenn die Kinderbetreuung ausgedehnt werden kann. Der Erzieherberuf ist allerdings nicht sonderlich attraktiv, auch dort gibt es bereits einen Fachkräfteengpass. Eine einfache Lösung gibt es also für das Fachkräfteproblem nicht.
Und wie sieht es auf Landesebene aus?
Von der Landespolitik wünsche ich mir ebenfalls einen differenzierteren Blick auf die einzelnen Problemfelder: Es gibt den Vorschlag des schleswig-holsteinischen Instituts für Berufsbildung, die Produktdesigner, die wir ja auch ausbilden, im zweiten und dritten Lehrjahr zur Berufsschule nach Meldorf zu schicken, weil die Lehrer dort aufgrund der zurückgegangenen Azubizahlen nicht mehr ausgelastet sind. Das ist 130 Kilometer weit entfernt von Lübeck, wo unsere Azubis zurzeit noch zur Berufsschule gehen. Wenn das umgesetzt wird und unsere jungen Leute regelmäßig von der Ost- an die Nordsee fahren müssen, macht das die Ausbildung nicht unbedingt attraktiver.