Politische Bildung auf TikTok & Co: Ohne Social Media keine junge Zielgruppe

(cs) Wer heute junge Menschen mit politischen Themen erreichen will, kommt an Social Media nicht mehr vorbei. Das ist kein Bauchgefühl, sondern das Ergebnis einer aktuellen Studie mit dem Titel „How to Sell Democracy Online (Fast)“, initiiert von der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit dem Berliner Think-Tank Das Progressive Zentrum und gefördert von der Stiftung Mercator. Wir hatten bereits im Bildungs-BLOG unseres Kompetenzzentrums über die Thematik berichtet. Aufgrund des großen Interesses, veröffentlichen wir den Beitrag auch an dieser Stelle.

Die Ergebnisse sind ein deutlicher Weckruf für politische Kommunikation: Soziale Medien sind für junge Menschen der wichtigste Zugang zu politischen Informationen. 74 Prozent der 16- bis 30-Jährigen informieren sich über Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube über politische Geschehnisse – deutlich mehr als in Schule, Familie oder über klassische Medien.

POLITISCHE INFLUENCER:INNEN ALS NEUE VERTRAUENSPERSONEN

Was dabei besonders auffällt: Junge Nutzer:innen folgen häufiger politischen Influencer:innen (60 Prozent) als offiziellen Accounts von Parteien oder Politiker:innen (38 Prozent). Das Vertrauen liegt stärker bei Einzelpersonen als bei Institutionen – vermutlich, weil Influencer:innen als nahbarer, authentischer und alltagsbezogener wahrgenommen werden.

Politische Kommunikation muss deshalb nicht nur in den sozialen Medien stattfinden, sondern auch deren Logik, Tonalität und Tempo verstehen – etwa durch kurze, visuell ansprechende Videos, schnelle Reaktionen und eine zielgruppengerechte Ansprache. Das bedeutet aber nicht, Inhalte zu trivialisieren – sondern sie zugänglich, konkret und relevant zu gestalten.

JUNGE MENSCHEN ERNST NEHMEN – AUCH IN DER DIGITALEN SPHÄRE

Ein zentrales Fazit der Studie: Politische Kommunikation muss die Lebensrealität junger Menschen anerkennen.Wer sie erreichen will, muss dort präsent sein, wo ihre Meinungsbildung stattfindet – und das ist nun einmal online.

Dass Social Media nicht nur Ort der Unterhaltung, sondern auch Plattform für politische Bildung, Meinungsvielfalt und Engagement ist, zeigt sich deutlich. Auch wenn nur 17 Prozent aktiv an Diskussionen teilnehmen oder Beiträge kommentieren – die Mehrheit liest mit, beobachtet, denkt mit. Politische Inhalte landen oft über algorithmisch kuratierte Feeds bei den Nutzer:innen, was gleichzeitig Chancen und Risiken birgt.

WAS FUNKTIONIERT – UND WAS NICHT

Die in der Studie untersuchten Inhalte zeigen, dass Themen wie Regierung, Verwaltung und Wahlen am häufigsten behandelt wurden. Bildungspolitik, Sozialthemen und Umwelt erzielten dagegen geringere Reichweiten – obwohl gerade Bildung junge Menschen stark betrifft. Das legt nahe, dass politische Inhalte auf Social Media häufig an den Interessen junger Menschen vorbeiproduziert werden – oder nicht so aufbereitet sind, dass sie Anklang finden.

Zudem zeigt die Analyse, dass positive Selbstdarstellung in rund 70 Prozent der Beiträge vorherrscht, während 35 Prozent Angriffe auf politische Gegner enthalten. Interessanterweise werden solche attackierenden Inhalte zwar häufiger angesehen, aber nicht zwingend positiv bewertet. Junge Nutzer:innen lehnen politische Polemik in Kurzvideos mehrheitlich ab.

FAZIT: POLITISCHE KOMMUNIKATION MUSS DIGITAL NEU GEDACHT WERDEN

Die Studie der Bertelsmann Stiftung belegt eindrücklich: Wer junge Menschen politisch erreichen will, muss auf Social Media präsent sein – und zwar nicht nur mit Inhalten, sondern mit Haltung, Authentizität und echtem Interesse an der Zielgruppe. Kurz: Politische Bildung braucht neue digitale Wege – und die Bereitschaft, sie konsequent zu gehen.

Politik darf nicht länger davon ausgehen, dass junge Menschen den Weg zu ihr finden. Vielmehr muss sich politische Kommunikation dorthin bewegen, wo junge Menschen bereits sind.Das ist keine Kapitulation vor dem Algorithmus – sondern eine notwendige Weiterentwicklung demokratischer Öffentlichkeit.