Tarifergebnis in der chemische Industrie

IGBCE und BAVC haben sich auf ein zweistufiges Tarifpaket verständigt, das den Unternehmen Planungssicherheit bis ins erste Quartal 2026 garantiert. Die Beschäftigten erhalten 2,0 Prozent mehr Geld ab 1. September 2024 sowie weitere 4,85 Prozent ab 1. April 2025. Die Laufzeit beträgt 20 Monate. Die zweite Stufe der Entgelterhöhung ist flexibilisiert; sie kann aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu drei Monate verschoben werden. Zur Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung haben sich IGBCE und BAVC darauf verständigt, den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Branche fortzusetzen und gewerkschaftliches Engagement stärker zu honorieren. Darüber hinaus wird der Bundesentgelttarifvertrag, der insbesondere die Eingruppierung der Beschäftigten regelt, schrittweise modernisiert. Die Einigung gilt für 1.700 Betriebe mit 585.000 Beschäftigten.

BAVC-Präsidentin Scharpwinkel: „Eine gute Sozialpartnerschaft auch unter schwierigen Rahmenbedingungen“

„Wir haben eine sehr schwierige Tarifrunde in der dritten bundesweiten Verhandlung gemeinsam abschließen können“, kommentiert BAVC-Präsidentin Katja Scharpwinkel. „Standort und Beschäftigung in Deutschland stehen vor großen strukturellen Herausforderungen, die unsere Branche meistern muss. Für diesen hart erarbeiteten Kompromiss mussten sich beide Seiten erheblich aufeinander zubewegen. Aber es wird deutlich, was wir durch eine gute Sozialpartnerschaft auch unter schwierigen Rahmenbedingungen leisten können. Es geht darum, Unternehmen und Beschäftigten Sicherheit und Perspektiven zu geben. Darauf können wir aufbauen, um die Transformation zu einer nachhaltigen Chemie-Industrie erfolgreich zu gestalten.“

Arbeitgeber-Verhandlungsführer Bürk: „Tragfähiger Kompromiss“

„Dieser Tarifabschluss ist ein tragfähiger Kompromiss, der die Interessen beider Seiten berücksichtigt. In der Entgeltfrage gehen wir zweifellos an die Grenze der Belastbarkeit. Aber wir verbinden langfristige Planungssicherheit mit Flexibilität für Unternehmen in einer kritischen Lage“, fasst BAVC-Verhandlungsführer Matthias Bürk zusammen. „Besonders viel Fingerspitzengefühl haben wir bei der Frage gebraucht, wie wir die Tarifbindung auf beiden Seiten stärken. Für uns ist wichtig, dass wir das Prinzip ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ nicht antasten und so das Risiko einer Spaltung der Belegschaften minimieren. Indem wir unsere Schlichtungsregelung unverändert fortführen und gewerkschaftliches Engagement spürbar wertschätzen, zeigen wir unmissverständlich, dass die Chemie ihrem sozialpartnerschaftlichen Kurs treu bleibt.“

Entgelt: 2,0 Prozent ab 1.9.2024 und 4,85 Prozent ab 1.4.2025 / Laufzeit 20 Monate

Der Entgeltkompromiss sieht vor, dass die Entgelte ab 1. September 2024 in der ersten Stufe um 2,0 Prozent erhöht werden. Die zweite Stufe der Entgelterhöhung greift ab 1. April 2025 und beträgt 4,85 Prozent. Die Ausbildungsvergütungen steigen entsprechend. Die Gesamtlaufzeit beträgt 20 Monate bis Ende Februar 2026.

Entlastung für Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten

Für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sieht der Tarifvertrag Entlastungen vor. Die zweite Stufe der Entgelterhöhung ist flexibilisiert. Sie kann aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu drei Monate verschoben werden. Bei roten Zahlen wird die Entgelterhöhung um zwei Monate verschoben, bei einer Nettoumsatzrendite unter drei Prozent um einen Monat. Auf Basis einer Betriebsvereinbarung sind drei Monate Verschiebung möglich.

Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung 

Zur Stärkung der Tarifbindung auf beiden Seiten haben sich IGBCE und BAVC darauf verständigt, den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Branche fortzusetzen und gewerkschaftliches Engagement stärker zu honorieren. Mit der unveränderten Fortschreibung der chemie-spezifischen Schlichtungsregelung setzen IGBCE und BAVC weiter auf einen dezidiert sozialpartnerschaftlichen Interessenausgleich. Im Unterschied zu anderen Branchen ist in der Chemie-Schlichtungsregelung weiterhin kein externer Schlichter vorgesehen. Ein mit Mehrheit verabschiedeter Schlichtungsspruch ist unmittelbar als Tarifvertrag verbindlich. Bis zum erfolglosen Abschluss einer Schlichtung gilt Friedenspflicht. Die Schlichtungsvereinbarung kann nicht vor Ende 2026 gekündigt werden.

Im Gegenzug erhalten aktive Mitglieder der IGBCE ab 2025 einen Zeitausgleich im Umfang von einem Arbeitstag pro Jahr für ihr gewerkschaftliches Engagement. Für 10, 25, 40 oder 50 Jahre Gewerkschaftsmitgliedschaft erhalten aktive IGBCE-Mitglieder im entsprechenden Jahr zudem einen Zeitausgleich von einem weiteren Arbeitstag. So soll dem Einsatz für Sozialpartnerschaft und Tarifbindung Rechnung getragen werden, wie er durch das gewerkschaftliche Engagement zum Ausdruck kommt.

Update für den BETV sowie Modernisierung der Tarifverträge schrittweise bis 2030

Bei dem für die Eingruppierung der Beschäftigten ausschlaggebenden Bundesentgelttarifvertrag (BETV) haben sich IGBCE und BAVC auf erste Modernisierungsschritte verständigt. So ist ab 1. September 2024 die Textform ausreichend statt der bisher notwendigen Schriftform. Damit können etwa Entgeltabrechnungen digital ausgegeben werden. Auch wurden Berufsbezeichnungen aktualisiert und Regelungen zur Höhergruppierung angepasst. Außerdem ist die Nutzung des Entgeltkorridors, mit dem die Entgelte mit Zustimmung der Tarifparteien um bis zu zehn Prozent abgesenkt werden können, künftig unbefristet möglich. Das eröffnet Unternehmen mit strukturellen Problemen mehr Planungssicherheit.

Zudem starten IGBCE und BAVC einen strategischen Prozess zur Modernisierung der Tarifverträge der chemischen Industrie. Ziel ist es, die tarifvertraglichen Regelungen bis zum Jahr 2030 an die Herausforderungen der sich stetig ändernden Arbeitswelt und die strukturellen Veränderungen in der Branche anzupassen. Perspektivisch sollen die Chemie-Tarifverträge einfacher werden, indem Komplexität und Regelungstiefe reduziert werden. Im Rahmen des Prozesses sollen auch die regional erarbeiteten Vorschläge zur Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung aufgegriffen werden.

Talent-Sharing für die Chemie-Branche: Online-Plattform sichert Fachkräfte in der Transformation

In Zeiten der Transformation investieren IGBCE und BAVC zusätzlich in die Fachkräftesicherung der Chemie- und Pharmabranche. Über den Unterstützungsverein der Chemischen Industrie (UCI) fördern die Chemie-Sozialpartner bundesweit die Einrichtung regionaler Fachkräfteradare. Dabei handelt es sich um eine Online-Plattform, bei der Betriebe ihre Mitarbeitenden und Ausbildungsabsolventen, die sie nicht mehr beschäftigen können, anderen Unternehmen in der Branche weiterempfehlen, die nach Fachkräften suchen. So können Talente in der chemisch-pharmazeutischen Industrie gehalten und die Sozialpartnerschaft gestärkt werden. Die Idee eines Fachkräfteradars wurde ursprünglich von HessenChemie für Ausbildungsabsolventen zusammen mit dem Anbieter stafftastic entwickelt und pilotiert, in der Folge vom Landesausschuss der ChemieArbeitgeber NRW aufgegriffen und um zusätzliche Zielgruppen erweitert.