Bundeskanzler Scholz bei den Unternehmern in Düsseldorf – Arbeitgeberpräsident mahnt „gewaltige Herausforderungen“ an
Volle Hütte am Mittwoch Abend bei den Arbeitgeberverbänden NRW in Düsseldorf, denn: Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich angesagt. Schon Tage zuvor gab es keine freien Plätze mehr. Rund 550 Gäste wollten den Kanzler erleben.
Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte in seiner ausführlichen Grundsatzrede den „Wirtschaftsstandort Deutschland“. Er verwies auf Inventionen ausländischer Unternehmen, auf Betriebe, die sich in Deutschland ansiedeln und auf die Halbleiterproduktion, die ausgebaut wird. Scholz wies auch daraufhin, dass Deutschland als Exportnation erfolgreich sei. Mit Blick auf die Energiepreise und andere Themen sagte der Bundeskanzler, die Bundesregierung arbeite daran. Die Probleme seien bekannt. Aber: einen Industriestrompreis lehnt Scholz an. „Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer oder Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne wird es nicht geben“, wird der Bundeskanzler in der RP zitiert. Verhaltene Reaktionen bei den Gästen. Langen Genehmigungszeiten erteilte Scholz eine Absage. Nach seiner Rede gab es noch einen rund 30minütigen dynamischen Austausch mit den anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmern, moderiert von WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock.
Arndt Kirchhoff, Präsident des Unternehmenerverbands Nordrhein-Westfalen, nutzte die Gelegenheit und fand deutliche Worte für die Situation im Lande. Er sieht uns vor „gewaltigen Herausforderungen“ stehend und meinte die Themenbereiche Energieversorgung und Energiepreise, Bürokratie, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Rezession und Infrastruktur. Eine persönliche Nachlese unseres Chronisten:
ENERGIE
„Absoluter Schlüsselfaktor für die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland ist die Energiepolitik. Unsere Betriebe brauchen einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis – und zwar sofort!“, erklärte Kirchhoff bereits im Vorfeld der Veranstaltung. Eine Forderung, die die Unternehmerschaft, in erster Linie Hauptgeschäftsführer Michael Grütering, bereits seit fast einem Jahr immer wieder in Düsseldorf thematisiert. Und jetzt kommt die Quittung: unsere Energiepreise sind nicht konkurrenzfähig, vor allem für chemische Industrie, Aluminium, Glas, Papier, Zement, auch für bedeutende Teile der Metall- und Elektroindustrie, wie Arndt G. Kirchhoff zuvor in einem Zeitungsbeitrag betonte. Man muss es offenbar auch immer und immer wieder sagen – auch in Düsseldorf: unseren Wohlstand verdanken wir eben nicht der Werbeagenturen und der Modebranche, sondern unseren industriellen Arbeitsplätzen. Dies macht Kirchhoff auch noch einmal in seinem Statement am Mittwoch deutlich. Nach Worten des NRW-Unternehmerpräsidenten entscheidet insbesondere die Energiepolitik über die Zukunftsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandorts Deutschland. Bei den gegenwärtigen Energiepreisen könnten energieintensive Branchen hierzulande nicht mehr investieren. Es gehe um nicht weniger als den Kern der Wirtschaft und damit die Grundlage des Wohlstands des Landes. Deshalb müsse jetzt schnell ein international wettbewerbsfähiger Strompreis für die Industrie von vier bis sechs Cent kommen.
KLIMAPOLITIK
Die Klimaziele der Politik sind ehrgeizig und eine Herausforderung in wirklich schwierigen Zeiten. Kirchhoff: „Der Kohleausstieg ist auf 2038 fest fixiert, doch schon 2030 politisch gewünscht. Für NRW hat Schwarz-Grün diesen Termin sogar in den Koalitionsvertrag geschrieben. Das wird mehr als sportlich, denn es sind keine sieben Jahre mehr.“ Und er machte deutlich, was dies bedeutet: täglich eine neue Fotovoltaikanlage, die der Größe von 43 Fußballfeldern entspräche. Plus: wöchentlich 27 Windräder an Land und weitere vier Offshore-Anlagen auf See. Ebenso wöchentlich 34.000 E-Autos (Kirchhoff: das wäre jede zweite Pkw-Neuzulassung). Ganz zu schweigen von Wärmepumpen, Speicherkapazitäten und Gebäudesanierungen.
INFRASTRUKTUR
Dieses Thema an dieser Stelle zu erklären hieße „Eulen nach Athen“ zu tragen. Wir alle kennen den Zustand unserer Straßen, Brücken, Wasserstraßen und der Schiene. „Die Lage ist ernst“, sagte Kirchhoff. Umso wichtiger sei es, das Land mit entschlossenen Maßnahmen wieder nach vorn zu bringen. Dies werde nur mit einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft gelingen.
REGULIERUNGSPOLITIK
Herr Kirchhoff bringt es auf den Punkt, wenn er in einem Gastbeitrag der Rheinischen Post schreibt: „Bürokratie und Regulierung haben unser Land gelähmt. Zudem steckt die Digitalisierung noch allzu häufig in den Kinderschuhen.“ Als ein gutes Beispiel erwähnt er Planung, Genehmigung und Bau des neuen LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Die Turbo-Realisierung von einem knappen Jahr sei der neue Maßstab für alle Infrastrukturprojekten, die dringend auf Umsetzung warten. Kirchhoff wörtlich: „Herr Bundeskanzler, machen Sie das Deutschland-Tempo zu einem weltweit sichtbaren Markenzeichen deutscher Wirtschaftspolitik.“ Das Schneckentempo mit zehn Jahre dauernden Planungs- und Genehmigungsverfahren für einfache Stromtrassen oder Gewerbegebiete müsse endgültig der Vergangenheit angehören. Deutschland müsse ab sofort in den Umsetzungsmodus kommen.
REZESSION UND FACHKRÄFTEMANGEL
Wie wir auf unternehmerschaft.de schön häufiger angemerkt haben, steht unsere Wirtschaft in Düsseldorf, NRW und Deutschland vor einer Rezession und erleben gleichzeitig einen nicht mehr zu bewältigenden Fachkräftemangel. Diese Herausforderungen kommen noch „0ben drauf“ auf die bereits genannten Punkte.
LETZTE WORTE
Den bereits erwähnten RP-Beitrag schließt Arndt G. Kirchhoff mit den Worten: „Unser Land braucht eine Politik, die ihren Schwerpunkt auf Investitionen und Innovationen setzt. Nur mit einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft kommt es wieder nach vorn. Darum muss die Politik jetzt alles tun, was die Unternehmen stärkt, und alles unterlassen, was sie schwächt.“ Mehr ist an dieser Stelle nicht hinzuzufügen.
Presseinformation von unternehmer nrw:
Die nordrhein-westfälischen Unternehmer haben die Bundesregierung eindringlich aufgefordert, jetzt schnellstens einen klaren Schwerpunkt auf Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen und Innovationen zu setzen. „Deutschland hat massive strukturelle Probleme, die die Politik jetzt dringend angehen muss“, erklärte der Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen (unternehmer nrw), Arndt G. Kirchhoff, am Mittwoch auf dem Unternehmertag seiner Organisation in Düsseldorf. In Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz betonte Kirchhoff, Deutschland gerate international zunehmend ins Hintertreffen, das Land sei derzeit nicht gut aufgestellt. Die Wirtschaftsleistung gehe zurück, viel zu hohe Energiekosten sowie Steuern und Abgaben gefährdeten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, der Arbeits- und Fachkräftemangel belaste inzwischen alle Wirtschaftsbereiche, der Zustand der Infrastruktur sei extrem besorgniserregend und Bürokratie und Regulierung lähmten das ganze Land. „Die Lage ist ernst“, sagte Kirchhoff. Umso wichtiger sei es, das Land mit entschlossenen Maßnahmen wieder nach vorn zu bringen. Dies werde nur mit einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft gelingen.
Nach Worten des NRW-Unternehmerpräsidenten entscheidet insbesondere die Energiepolitik über die Zukunftsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandorts Deutschland. Bei den gegenwärtigen Energiepreisen könnten energieintensive Branchen hierzulande nicht mehr investieren. Es gehe um nicht weniger als den Kern der Wirtschaft und damit die Grundlage des Wohlstands des Landes. Deshalb müsse jetzt schnell ein international wettbewerbsfähiger Strompreis für die Industrie von vier bis sechs Cent kommen. Nachhaltig abnehmen werde der Preisdruck allerdings nur mit einem gleichzeitigen massiven Ausbau der Energieerzeugung. „Ich sage ausdrücklich: Es geht jetzt um die Frage ‚Industriestrompreis und Ausbau des Energie-Angebots‘“, betonte Kirchhoff. Beides sei entscheidend für den Erhalt der Wertschöpfungsketten bis weit in den industriellen Mittelstand und in den Dienstleistungsbereich hinein.
Angesichts der „für deutsche Verhältnisse geradezu unglaublichen Geschwindigkeit“ bei Planung, Genehmigung und Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven (1 Jahr) dankte Kirchhoff dem Bundeskanzler für das entschlossene Handeln der Bundesregierung zur Sicherung der Gasversorgung. Der Staat habe hier seine Handlungsfähigkeit bewiesen, als es darauf ankam. Jetzt gelte es aber, Planungs- und Genehmigungsverfahren endlich auch für die anderen Transformations- und Infrastrukturprojekte massiv zu beschleunigen. Kirchhoff wörtlich: „Herr Bundeskanzler, machen Sie das Deutschland-Tempo zu einem weltweit sichtbaren Markenzeichen deutscher Wirtschaftspolitik.“ Das Schneckentempo mit zehn Jahre dauernden Planungs- und Genehmigungsverfahren für einfache Stromtrassen oder Gewerbegebiete müsse endgültig der Vergangenheit angehören. Deutschland müsse ab sofort in den Umsetzungsmodus kommen.
Die Arbeits- und Sozialpolitik der Bundesregierung bezeichnete der NRW-Unternehmerpräsident als die eines Landes, das immer noch glaube, sich alles leisten zu können. Vom Arbeitszeitgesetz über das Lieferkettengesetz bis zum Tariftreuegesetz eröffne das Bundesarbeitsministerium immer wieder neue bürokratische Baustellen für die Wirtschaft. „Als gäbe es die aktuellen Krisen nicht, wird hier unverdrossen draufgesattelt“, kritisierte Kirchhoff. Inzwischen sei auch die so wichtige 40-Prozent-Grenze bei den Sozialbeiträgen überschritten. Vom angekündigten Belastungsmoratorium für die Wirtschaft sei zumindest in diesem Bereich nichts zu spüren. Stattdessen blieben nötige Weichenstellungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf der Strecke. „Die Prioritätensetzung der Politik muss sich dringend verändern“, forderte Kirchhoff. Die Politik müsse jetzt alles unternehmen, was die Wirtschaft stärkt und alles unterlassen, was sie schwächt.
Kirchhoff warb für noch größere gemeinsame Anstrengungen von Politik und Wirtschaft für einen engeren Zusammenhalt in der Gesellschaft. „Die Umfragewerte der Rechtspopulisten der letzten Wochen können uns alle nicht unberührt lassen“, sagte der NRW-Unternehmerpräsident. Ihn bedrücke, dass hier Unsicherheit und Verlustängste in der Bevölkerung ausgenutzt würden. Umso wichtiger sei es, den vermeintlich einfachen Antworten des Populismus in dieser komplexen Welt entschlossen entgegenzutreten. Ausdrücklich begrüßte Kirchhoff das kürzlich verabschiedete Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Die Wirtschaft setze auf Weltoffenheit, Toleranz und Miteinander. „Als Unternehmer haben wir hier eine klare Antwort, die sich seit 70 Jahren in unserem Land bewährt hat: die Soziale Marktwirtschaft“, betonte Kirchhoff. Sie sei der Kitt dieser Gesellschaft und die Grundlage für eine gute Zukunft des Landes.