Schlichtung statt Stillstand: Warum der Gesetzgeber Tarifkonflikte neu regeln muss

(cs) Die laufende Schlichtung in der aktuellen Tarifrunde des öffentlichen Dienstes zeigt deutlich: Streiks sollten immer das letzte Mittel in einer Tarifauseinandersetzung sein. Doch das ist längst nicht mehr der Regelfall. In vielen Tarifkonflikten wird gestreikt, ohne dass zuvor alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Die Folge sind oft erhebliche Beeinträchtigungen für Bürger und Unternehmen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers, erfuhr unsere Redaktion. Alle Hintergründe hier:

Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf betont: „Auch in der Metall- und Elektro-Industrie sind die Verhandlungen nicht einfach, aber wir finden immer eine Lösung. Wo Tarifparteien jedoch nicht mehr in der Lage sind, ihre organisationspolitische Logik zu durchbrechen, darf das nicht länger auf Kosten der Allgemeinheit geschehen. Dann ist auch der Gesetzgeber gefragt, Hilfestellungen zu geben.“

Wissenschaftlich fundierter Reformvorschlag für das Schlichtungswesen

Gesamtmetall hat deshalb am 26. März 2025 vor der Bundespressekonferenz ein umfassendes Gutachten vorgestellt, das sich mit dem tariflichen Schlichtungswesen in Deutschland befasst. Dieses Gutachten wurde von Dr. Hagen Lesch, Leiter des Themenclusters Arbeitswelt und Tarifpolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW), erstellt und bietet eine tiefgehende Analyse bestehender Mechanismen. Basierend auf empirischen Untersuchungen und zahlreichen Interviews mit erfahrenen Schlichtern kommt die Studie zu dem Schluss, dass gesetzliche Anpassungen erforderlich sind.

Zusätzlich präsentierten Prof. Dr. Richard Giesen (Ludwig-Maximilians-Universität München) und Prof. Dr. Clemens Höpfner (Universität zu Köln) einen konkreten Vorschlag für ein Gesetz zur Schlichtung von Tarifkonflikten. Kern dieses Entwurfs ist die Möglichkeit für jede Tarifvertragspartei, eine Schlichtung anzurufen. Erst wenn diese scheitert, sollen Arbeitskämpfe zulässig sein – und das nur in begrenztem Rahmen.

Warum eine gesetzliche Schlichtungsregelung notwendig ist

Streiks in sensiblen Bereichen wie der Daseinsvorsorge – beispielsweise an Flughäfen oder im Nahverkehr – haben gravierende Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte. Der Vorschlag sieht vor, dass bestehende tarifliche Schlichtungsvereinbarungen Vorrang haben, während gesetzliche Vorgaben nur nachrangig gelten. In Bereichen der Daseinsvorsorge könnten jedoch besondere Regelungen greifen, um unverhältnismäßige Belastungen der Gesellschaft zu vermeiden.

Die aktuellen Entwicklungen in der Tariflandschaft und die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zeigen, dass Streiks zunehmend nicht mehr als letztes Mittel betrachtet werden. Dies hat zur Folge, dass Verhandlungen frühzeitig durch Arbeitskämpfe ersetzt werden – oft ohne ernsthaften Versuch einer Einigung. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden sind beträchtlich.

Appell an die Politik: Reformen sind überfällig

Die Bundesregierung ist nun gefordert, gesetzliche Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um Tarifkonflikte künftig strukturierter und fairer zu lösen. Gesamtmetall wird sich weiterhin aktiv in die politische Debatte einbringen und auf eine Reform drängen. Ein modernes und effektives Schlichtungswesen kann dazu beitragen, die Balance zwischen Arbeitskampf und Verhandlungsbereitschaft wiederherzustellen – und damit sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber und die Gesellschaft insgesamt entlasten.