Die Frührente boomt – Warum WIR gegensteuern müssen

So viele Personen in Deutschland aus diesen Jahrgängen bezogen Ende 2023 Altersrente
(cs) Ein beunruhigender Trend setzt sich fort: Immer mehr Deutsche gehen vorzeitig in Rente – und das in einer Zeit, in der jeder fehlende Arbeitnehmer schmerzt. Wie das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einem Beitrag für das Fachportal KOKO – Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung berichtet, hat sich die Frührente in den vergangenen Jahren zu einem Massenphänomen entwickelt.
Die Zahlen sprechen für sich: Rund 1,8 Millionen Menschen aus der Babyboomer-Generation, die bis 2023 die Regelaltersgrenze erreichten, gingen vorzeitig in den Ruhestand. Das entspricht etwa 44 Prozent jedes Jahrgangszwischen 1954 und 1969. Weitere 924.000 Frührentner kommen aus jenen Jahrgängen hinzu, die Ende 2023 das reguläre Rentenalter noch nicht erreicht hatten. Sie nutzten entweder die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte oder die Möglichkeit, sich mit 63 Jahren nach 35 Beitragsjahren mit Abschlägen in den Ruhestand zu verabschieden.
Diese Entwicklung trifft auf einen Arbeitsmarkt, der ohnehin schon unter Druck steht: Die Babyboomer hinterlassen Lücken, die die nachfolgenden Generationen zahlenmäßig nicht füllen können. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sind absehbar: Fachkräftemangel, sinkende Produktivität, steigende Belastung der Sozialkassen.
„Setzt sich dieser Trend fort, werden sich ab 2025 jährlich mindestens eine Million Menschen vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand verabschieden“, warnt das IW in KOKO.
Ein weiterer problematischer Aspekt ist der Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen für Frührentner. Sie erlaubt es nun, Rente zu beziehen und gleichzeitig unbegrenzt hinzu zu verdienen – eine Regelung, die ursprünglich als Anreiz für längere Erwerbstätigkeit gedacht war, laut IW aber eher das Gegenteil bewirken könnte: Viele verlassen frühzeitig den Job, arbeiten jedoch nebenher weiter – auf Kosten der Rentenkasse.
IW und OECD fordern: Anreize zum frühen Ausstieg abbauen
Die Politik setzt aktuell auf die sogenannte Aktivrente: Wer über die Regelaltersgrenze hinaus arbeitet, soll von höheren Steuerfreibeträgen profitieren. Der monatliche Freibetrag soll ab 2026 auf 2.000 Euro steigen. Doch das IW und auch die OECD halten das für den falschen Ansatz.
„Viel wichtiger wäre es, die Anreize für einen vorzeitigen Renteneintritt zu reduzieren“, so die Autoren der IW-Analyse.
Dazu zählt vor allem die Abschaffung der abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte, die aktuell einen frühen Ruhestand ohne finanzielle Einbußen ermöglicht. Zudem sollten die Abschläge beim Rentenbeginn vor der Regelaltersgrenze erhöht werden, um den Verbleib im Berufsleben wirtschaftlich attraktiver zu gestalten.
Denn klar ist: Der deutsche Arbeitsmarkt kann es sich schlichtweg nicht leisten, auf erfahrene Fachkräfte vorschnell zu verzichten. Die nächsten Jahre entscheiden darüber, ob Deutschland dem demografischen Wandel mit kluger Politik begegnet – oder sich selbst ins Aus steuert.
Quelle:
Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in KOKO – Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, Beitrag vom Juni 2025: „Frührente boomt – Politik muss gegensteuern“, abrufbar unter: www.kofa.de