Bildungssystem in der Krise: INSM-Bildungsmonitor 2024 zeigt alarmierende Entwicklungen
Die Qualität des Bildungssystems in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich verschlechtert. Dies ist das zentrale Ergebnis des 21. INSM-Bildungsmonitors, der jährlich vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) veröffentlicht wird. Besonders besorgniserregend ist der Vergleich zum Bildungsmonitor von 2013: Fast alle Bundesländer verzeichnen einen Rückgang der Bildungsqualität, mit dramatischen Einbußen in einigen Regionen. Der bundesweite Punktedurchschnitt liegt 2024 bei 47,1 Punkten – 2,5 Punkte weniger als vor zehn Jahren. NRW verschlechterte sich ebenfalls (minus 1,1) und liegt auf dem drittschlechtesten Platz. Noch schlechter sind nur noch Brandenburg und Berlin. Christoph Sochart hat sich die Ergebnisse im Detail angeschaut.
Gewinner und Verlierer im Bundesländervergleich
Trotz der insgesamt negativen Entwicklung gibt es einige positive Ausnahmen. Das Saarland und Hamburg haben sich in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert, mit Zuwächsen von 7,1 beziehungsweise 5,4 Punkten. Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen konnten ihr Bildungsniveau weitgehend stabil halten. Im Gegensatz dazu verzeichnen Bundesländer wie Baden-Württemberg (-9,6 Punkte), Bremen (-8,5 Punkte) und Sachsen-Anhalt (-5,4 Punkte) erhebliche Verluste.
Die Studie untersucht 13 Handlungsfelder, darunter Schulqualität, Integration und die Vermeidung von Bildungsarmut. Sachsen nimmt Spitzenplätze in der Förderinfrastruktur, Schulqualität und Bildungsarmut ein, während Bayern in der beruflichen Bildung führend ist. Hamburg punktet bei der Internationalisierung, und Baden-Württemberg ist bei der Digitalisierung und Zeiteffizienz vorne dabei. Selbst Bremen, das im Gesamtranking auf dem letzten Platz liegt, erzielt Bestwerte im Bereich Hochschule/MINT.
Wachsende Herausforderungen: Integration und Bildungsarmut
Ein genauer Blick auf die einzelnen Handlungsfelder zeigt, wo es besonders hakt. Während die Bundesländer bei der Internationalisierung, der Förderinfrastruktur und den Betreuungsbedingungen Fortschritte gemacht haben, sind die Defizite in den Bereichen Integration, Schulqualität und Bildungsarmut besonders eklatant. Trotz einer verbesserten Betreuungsrelation und dem Ausbau der Ganztagsinfrastruktur hat sich die Bildungssituation von Kindern aus Haushalten mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Familien erheblich verschlechtert. Der Anteil von Vorschulkindern, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, stieg seit 2008 um fünf Prozentpunkte.
Maßnahmen für eine zukunftsfähige Bildung
Um den Abwärtstrend zu stoppen und das Bildungssystem zukunftsfähig zu machen, fordert das IW gezielte Maßnahmen in drei zentralen Bereichen:
1. Ungleichheiten reduzieren: Die Schulqualität muss verbessert werden, um herkunftsbedingte Bildungsungleichheiten abzubauen. Dies erfordert gezielte staatliche Investitionen, die sich am Bedarf der Schulen orientieren. Ein Sozialindex könnte helfen, Ressourcen effizienter zu verteilen. Frühkindliche Bildung und Sprachförderung sollten ausgebaut, die Autonomie der Schulen gestärkt und die Verantwortlichkeiten klarer geregelt werden.
2. Neue Ungleichheiten vermeiden: Die digitale Infrastruktur in Schulen muss weiter ausgebaut und der Einsatz digitaler Lehrmaterialien gefördert werden. Zudem sind klare Konzepte für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz im Unterricht notwendig. Informatik sollte bundesweit als Pflichtfach eingeführt werden, um die IT-Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu stärken.
3. Demokratische Kompetenzen vermitteln: Demokratiebildung sollte in der Grundschule als Teil des Sachunterrichts und in der Sekundarstufe fächerübergreifend verankert werden. Hierbei sind verbindliche Bildungsstandards und regelmäßige Monitoring-Studien entscheidend. Weltoffenheit und diverse Perspektiven sollten stärker in den Unterricht integriert werden, um Kreativität und Innovation zu fördern.
Kommentar: Dringender Handlungsbedarf
Der INSM-Bildungsmonitor 2024 liefert einen klaren Weckruf für die Bildungspolitik in Deutschland. Während einige Bundesländer mit innovativen Ansätzen vorangehen, sind die Gesamtentwicklungen besorgniserregend. Besonders in Zeiten, in denen Bildung die Basis für wirtschaftliche Stabilität und soziale Gerechtigkeit bildet, darf die Politik nicht weiter zögern. Es bedarf eines gemeinsamen Kraftakts von Bund und Ländern, um die Defizite zu beheben und allen Kindern in Deutschland eine faire Chance auf Bildung und damit auf eine erfolgreiche Zukunft zu bieten. Der Wettbewerb zwischen den Bundesländern kann hierbei ein wertvolles Instrument sein – aber nur, wenn die erfolgreichen Modelle flächendeckend übernommen und umgesetzt werden.