„Die Mütterrente ist Firlefanz“ – Gesamtmetall-Chef Oliver Zander fordert Sozialreformen und warnt vor Deindustrialisierung
(cs) Im Interview mit der Rheinpfalz zeichnet Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Lage der Metall- und Elektroindustrie in Deutschland. Sowohl mit direkten Worten als auch mit klaren politischen Forderungen kritisiert er die aktuelle Wirtschaftspolitik – besonders die Sozialausgaben und die Rentenpolitik. Unsere Redaktion fasst das Gespräch zusammen.
Zander erklärte, die Branche befinde sich weiterhin im Personalabbau. Von einer wirtschaftlichen Belebung könne keine Rede sein. „Wir haben seit 2019 bereits 240.000 Arbeitsplätze verloren“, sagte er. Das entspreche einem Verlust von 25 Milliarden Euro an Wertschöpfung. „Wenn wir die noch hätten, hätten wir Wachstum.“ Stattdessen stecke die Industrie „in der längsten Wirtschaftskrise und Rezession seit Gründung der Bundesrepublik“.
Hohe Standortkosten und mangelnde Reformen
Auf die Ursachen angesprochen, betonte Zander, die Metall- und Elektroindustrie bleibe zwar das Rückgrat der deutschen Industrie mit über 3,8 Millionen Beschäftigten – doch nach der Finanzkrise vor eineinhalb Jahrzehnten sei „nichts oder sogar das Falsche für die Wettbewerbsfähigkeit“ des Standorts Deutschland getan worden. Hohe Energiekosten, Steuern und Sozialabgaben machten dem Standort schwer zu schaffen. Das müsse dringend repariert werden.
Die Bundesregierung habe zwar erste richtige Schritte unternommen, etwa mit der Senkung der Körperschaftsteuer oder dem sogenannten Investitionsbooster. Doch Zander machte deutlich: „Wenn die privaten Investitionen nicht anspringen, kommen wir nicht aus der Wirtschaftskrise.“ Der Hauptgeschäftsführer forderte daher tägliche Anstrengungen der Regierung für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. „Wir sind mittendrin in der Deindustrialisierung, und die müssen wir dringend stoppen.“
Sozialstaat zu teuer – Rentenpaket gefährlich
Besonders scharf äußerte sich Zander zur Entwicklung der Sozialabgaben. Diese lägen bereits bei über 42 Prozent – ein Niveau, das dringend gesenkt werden müsse. Ziel sei es, den Beitrag auf 40 Prozent zu stabilisieren. Steigende Beiträge ab 2026 – etwa in der Pflege- oder Arbeitslosenversicherung – seien „absolutes Gift“.
Zander forderte einen effizienteren Sozialstaat. Es könne nicht sein, dass gleichzeitig Arbeitskräftemangel und viele Bürgergeldempfänger existierten. Auch das Gesundheitswesen sei ineffizient, die Kosten in der Pflege „völlig aus dem Ruder gelaufen“.
Beim Thema Rente wurde Zander besonders deutlich: Die demografische Entwicklung mache Reformen unausweichlich. Das neue Rentenpaket, das das Rentenniveau bis 2031 sichern soll, lehnt er entschieden ab. „Das können wir uns nicht leisten“, so Zander. Die Mütterrente, die jährlich fünf Milliarden Euro koste, bezeichnete er sogar als „Firlefanz“.
Reformen trotz möglicher Wahlniederlage
Dass solche Forderungen bei den Bürgern auf Widerstand stoßen könnten, sieht Zander nicht als Argument gegen Reformen. „Wenn die Regierung nicht reformiert, wird die Wirtschaftskrise weitergehen“, warnte er. Bei einem Sozialhaushalt von 1,3 Billionen Euro seien die notwendigen Einsparungen durchaus machbar – andernfalls drohten Arbeitsplatzverluste und weitere Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit.
Regierung auf dem richtigen Weg – aber nur zum Teil
Trotz aller Kritik stellte Zander der Bundesregierung ein vorsichtig positives Zwischenzeugnis aus: Das „Mindset“ stimme. Es sei bereits Bewegung bei Energie und Steuern erkennbar. Nun müsse aber auch die SPD beim Thema Sozialreformen mitziehen. Zander erinnerte daran, dass jahrelang zu wenig für die Wettbewerbsfähigkeit getan worden sei – das lasse sich nicht in 100 Tagen korrigieren.
Auch interne Koalitionsstreitigkeiten sieht er kritisch: Reformen erforderten Kompromissfähigkeit, auch auf Kosten der eigenen Wähler. „Die Union hat Mitglieder und Wähler beim Thema Schuldenbremse enttäuscht, jetzt muss die SPD diejenigen enttäuschen, die erwarten, dass der Sozialstaat ohne Reformen auskommt.“
Arbeitszeit: Weniger Bürokratie, mehr Flexibilität
Zum laufenden Sozialpartnerdialog zur Arbeitszeit betonte Zander, es müsse mehr Flexibilität geben. Die Umstellung von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit sei kein Angriff auf den Acht-Stunden-Tag, sondern ein Instrument, um moderne Arbeitsmodelle zu ermöglichen – etwa die Vier-Tage-Woche bei gleichbleibender Stundenzahl.
Ziel sei nicht eine Erhöhung der Arbeitszeit, sondern eine andere Verteilung. „Wir wollen einfach ein weiteres Flexibilisierungsinstrument“, sagte Zander. Auch bei der Vertrauensarbeitszeit wünsche sich sein Verband eine Rückkehr zur Praxis, dass Arbeitszeiten nicht minutengenau dokumentiert werden müssen. Beides sei Teil des Koalitionsvertrags – und die Arbeitgeberseite erwarte nun die Umsetzung.