Düsseldorfer „Handelsblatt Research Institute“ prognostiziert atypische Rezession in Deutschland
Die deutsche Wirtschaft steht am Beginn einer Rezession, die mindestens drei Quartale andauern wird. Die erwartet das Düsseldorfer „Handelsblatt Research Institute (HRI)“ in seiner im Handelsblatt vorgestellten Konjunkturprognose für Deutschland. Wegen des gesamtwirtschaftlich noch recht guten ersten Halbjahrs wird laut Prognose die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr noch um 1,4 Prozent wachsen; für das Jahr 2023 rechnen die HRI-Ökonomen dann mit einem Rückgang um 0,4 Prozent.
Nach amtlichen Daten hatte die deutsche Volkswirtschaft im zweiten Quartal 2022 wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht – und damit später als die meisten anderen europäischen Volkswirtschaften. Da nun die Wirtschaftsleistung wieder drei Quartale sinken dürfte, erwartet das HRI, dass am Ende des ersten Quartals 2023 die gesamtwirtschaftliche Leistung nahezu auf das Niveau vom Herbst 2017 fällt. Dann würden der deutschen Volkswirtschaft mehr als fünf Jahre Trendwachstum fehlen, rund 600 Milliarden Euro, so das HRI.
Auslöser der neuerlichen Rezession ist die Energieverknappung sowie die damit einhergehende Teuerung. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar ist die Inflation in Deutschland in die Höhe geschnellt. Betrug die Inflationsrate im Januar 2022 noch 4,9 Prozent, so lag sie im August bei 7,9 Prozent. Dieser Wert sei sogar noch unterzeichnet, weil der Wegfall der EEG-Umlage, der Tankrabatt sowie das Neun-Euro-Ticket dämpfend auf die Verbraucherpreisentwicklung im Sommer wirkten.
Das HRI geht davon aus, dass der Höhepunkt der Inflation mit rund zwölf Prozent gegen Ende dieses Jahres erreicht sein dürfte. Von da an seien keine weiteren Preissprünge zu erwarteten, so dass auch die Inflation allmählich zurückgehe und im Gesamtjahr 2023 bei durchschnittlich 5,5 Prozent liege, nach 8,4 Prozent im laufenden Jahr. Binnen drei Jahren wäre dann das Preisniveau in Deutschland um rund 18 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In der Phase davor dauerte es rund 14 Jahre, von 2006 bis 2020, bis das Preisniveau ähnlich stark anstieg.
Die Preissprünge schmälern die reale Kaufkraft der Konsumenten. Weder die kräftige Mindestlohnerhöhung im Herbst noch Tarifabschlüsse oder Lohnerhöhungen der Arbeitgeber oder die verschiedenen Hilfsprogramme der Bundesregierung dürften diese Kaufkraftverluste auch nur annähernd wettmachen. „Diese Krise macht die große Mehrheit der Einwohner ärmer“, konstatiert HRI-Präsident Bert Rürup. „Und nach Lage der Dinge kann man nur darüber spekulieren, wie lang es dauern wird, diese massiven Wohlstandseinbußen wieder aufzuholen.“