Fachkräftemangel – Deutschland steuert auf eine Versorgungslücke zu – aktuelle Studie des IW in Köln

Quelle: IW Köln
(cs) Deutschland läuft auf eine dramatische Lücke im Arbeitsmarkt zu. Laut einer aktuellen Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnten im Jahr 2028 rund 768.000 Stellen nicht mit ausreichend qualifizierten Fachkräften besetzt sein – eine Steigerung um mehr als ein Drittel gegenüber dem Jahr 2024, als im Schnitt bereits 487.000 Fachkräfte fehlten. Und das, obwohl die Zahl offener Stellen aktuell eher rückläufig ist. Der Mangel ist strukturell – und betrifft nahezu alle Branchen: Pflege, Erziehung, Einzelhandel, Handwerk, Soziale Arbeit.
Besonders betroffen: Verkauf und soziale Berufe
Ein Blick in die Zahlen zeigt: Besonders im Einzelhandel wird der Mangel zunehmen. Trotz eines leichten Beschäftigungsrückgangs dürfte 2028 rund 40.000 Stellen im Verkauf unbesetzt bleiben. Der demografische Wandel trifft hier hart – viele Beschäftigte gehen in Rente, und Nachwuchs ist Mangelware. Auch in Kindertagesstätten sieht es nicht besser aus: Zwar steigt die Zahl der Beschäftigten bis 2028 laut IW-Prognose um 136.400 – doch selbst das reicht nicht, um den steigenden Bedarf zu decken. Am Ende könnten 31.000 Erzieherstellen unbesetzt bleiben.

Alexander Burstedde, Senior Economist für Qualifizierung und Fachkräftesicherung. Foto: IW Köln
Rückgang im Handwerk – aber Lücken bleiben
Ein weiteres Beispiel: die Metallberufe. Hier sinkt die Beschäftigung wegen Konjunkturflaute und massiver Renteneintritte bis 2028 um bis zu 14 Prozent – das sind rund 161.000 Arbeitsplätze weniger. Besonders betroffen: geringqualifizierte Helfer. Trotzdem bleibt auch hier eine Lücke – rund 7.400 Fachkräfte im Metallbau und 5.300 in der spanenden Metallbearbeitung fehlen, weil der Nachwuchs ausbleibt. Autoren der Studie sind die IW-Wissenschaftler, Alexander Burstedde, Senior Economist für Qualifizierung und Fachkräftesicherung, und Jurek Tiedemann, Economist für Fachkräftesicherung.
Ursachen: Rente, Qualifikationsdruck, Bürokratie
Warum der Mangel so groß ist? Die Gründe sind bekannt, aber nach wie vor ungelöst:
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Demografie: Immer mehr Fachkräfte gehen in Rente, es kommen zu wenige nach.
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Qualifikationsdruck: Viele Berufe werden komplexer, aber das Bildungssystem hält nicht Schritt.
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Weiterbildungslücken: Viele Unternehmen investieren zu wenig in ihre Mitarbeitenden.
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Zuwanderung: Trotz neuer Gesetze bleibt die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte schleppend – bürokratische Hürden behindern die Integration.
Folgen: Mehr Druck, weniger Leistung, steigende Kosten
Die Auswirkungen des Fachkräftemangels treffen Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen:
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In Kitas, Kliniken oder Pflegeheimen verlängern sich Wartezeiten.
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Unternehmen zahlen höhere Löhne, um Personal zu halten – besonders kleine Betriebe geraten dadurch unter Druck.
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Produktionsausfälle und Wettbewerbsnachteile sind die Folge, wenn Aufträge nicht mehr erfüllt werden können.
Lösungen: Was jetzt passieren muss
IW-Experte Alexander Burstedde fordert: „Die Politik muss gezielt gegensteuern.“ Seine Empfehlungen:
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Stärkere Berufsorientierung an Schulen, besonders mit Blick auf Mangelberufe.
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Förderung der dualen Ausbildung, um akademische und berufliche Bildung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
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Schnellere Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen.
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Weiterbildung fördern, auch im Betrieb – lebenslanges Lernen muss zum Standard werden.
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Flexiblere Arbeitsmodelle, um z. B. Ältere im Beruf zu halten.
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Und: Technologie gezielt nutzen, um Routineaufgaben zu automatisieren und Menschen zu entlasten.
Die Studie des IW in Köln zeigt: Der Fachkräftemangel ist längst kein Randthema mehr – er wird zur Standortfrage für Deutschland. Ob in der Kita, auf der Baustelle oder im OP: Wer keine Mitarbeitenden findet, kann keine Leistung erbringen. Wer dem Mangel nicht aktiv begegnet, riskiert wirtschaftliche und gesellschaftliche Verluste.