Industrie in NRW unter Druck – Arbeitgeberverbände fordern Kurswechsel

Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Unternehmensverbände

(cs) Die wirtschaftliche Lage in Nordrhein-Westfalen ist besorgniserregend. Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände NRW, hat in einem Interview mit der Rheinischen Post (14.02.2025) auf die dramatische Entwicklung hingewiesen. Besonders die Industrie leidet unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Unsere Redaktion fasst das Pressegespräch nachfolgend zusammen.

Beginnende De-Industrialisierung?

Seit 2018 ist die Industrieproduktion in NRW um 18 % gesunken. Dieser Rückgang ist für Pöttering ein klares Signal einer beginnenden De-Industrialisierung. Vor allem energieintensive Unternehmen stehen unter Druck. Hohe Energiekosten, eine zunehmende Bürokratisierung und hohe Abgabenlasten setzen den Betrieben zu.

Sozialabgaben und Rentenpolitik: Belastung für Unternehmen

Laut Pöttering wird die Sozialabgabenquote in Deutschland bis 2035 auf 49 % steigen, wenn keine Reformen erfolgen. Die steigenden Renten- und Krankenkassenbeiträge machen den Faktor Arbeit teurer und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit. Die Rentenpolitik der aktuellen Regierung sieht er kritisch: Das geplante „Rentenpaket II“ koste 500 Milliarden Euro und suggeriere eine Sicherheit, die so nicht gegeben sei. Pöttering fordert eine ehrliche Debatte zur Rente, die Abschaffung der Rente mit 63 und eine Anpassung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung.

Krankenstände belasten Betriebe

Ein weiteres Problem sind die hohen Krankenstände. In Deutschland liegt die durchschnittliche Anwesenheitsquote in Unternehmen unter 90 %, in Ländern wie Polen oder Ungarn hingegen bei 96 % bzw. 97 %. Pöttering sieht hier Handlungsbedarf: Die telefonische Krankschreibung solle abgeschafft und Anreize für geringere Krankheitstage geschaffen werden – beispielsweise durch Bonuszahlungen. Falls die Krankenstände nicht sinken, sollten auch Karenztage in Erwägung gezogen werden.

Alarmierende Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt

Monatlich gehen 10.000 Industriearbeitsplätze verloren – mit gravierenden Folgen für den Wirtschaftsstandort NRW. Besonders betroffen sind gut bezahlte Jobs in der Metall- und Elektroindustrie, die nicht einfach durch Dienstleistungsjobs ersetzt werden können.

Forderung nach wirtschaftspolitischem Kurswechsel

Angesichts dieser Herausforderungen fordert Pöttering nach der anstehenden Wahl einen klaren wirtschaftspolitischen Kurswechsel und schnelle Reformen. Bereits vor der Sommerpause müssten erste Maßnahmen ergriffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts NRW zu sichern.

Die AfD sieht er als keine Option für die Wirtschaft, da ihre Pläne zum EU-Austritt NRW erheblich schaden würden. Ein sogenannter „Dexit“ könnte in NRW rund 490.000 Arbeitsplätze kosten und die Wirtschaftsleistung um fünf Prozent verringern.

Fazit

Die wirtschaftliche Lage in NRW bleibt herausfordernd. Unternehmen stehen unter starkem Druck, und ohne strukturelle Reformen drohen weitere Arbeitsplatzverluste und Standortnachteile. Die Arbeitgeberverbände fordern daher entschlossene Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.

Quelle: Rheinische Post vom 14.02.2025