Jobangst durch Klimapolitik? Wie die ökologische Transformation den Arbeitsmarkt beeinflusst

(cs) Die ökologische Transformation unserer Wirtschaft bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich, die sich zunehmend auf den Arbeitsmarkt auswirken. Viele Beschäftigte erkennen die Notwendigkeit, ihre Kompetenzen anzupassen, doch bisher hatte der ökologische Wandel laut einer neuen Befragung des Essener RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung – nur einen geringen Einfluss auf konkrete berufliche Veränderungen. Gleichzeitig spricht sich eine Mehrheit der Befragten für eine Beschleunigung der ökologischen Transformation aus.

Die größten Herausforderungen aus Sicht der Bevölkerung

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass das Thema „Umwelt und Klimawandel“ für 38 Prozent der Befragten die derzeit größte Herausforderung Deutschlands darstellt. Damit liegt es vor wirtschaftlichen Fragen (32 Prozent), Einwanderung (32 Prozent), internationaler Sicherheitslage (23 Prozent) und Inflation (19 Prozent). Dies verdeutlicht die hohe Relevanz des ökologischen Wandels in der öffentlichen Wahrnehmung.

Arbeitsplatzsicherheit und die ökologische Transformation

Obwohl der Wandel der Wirtschaft als gesamtgesellschaftliche Herausforderung gesehen wird, empfinden vergleichsweise wenige Menschen ihn als direkte Bedrohung für ihre berufliche Zukunft. Lediglich 19 Prozent der Befragten schätzen die ökologische Transformation als „sehr bedrohlich“ oder „etwas bedrohlich“ für ihren Arbeitsplatz ein. Im Vergleich dazu sehen 51 Prozent ein allgemeines wirtschaftliches Abschwächen als Risiko für ihre berufliche Sicherheit, während 33 Prozent die Energiepreise und 26 Prozent die internationale Konkurrenz als größere Bedrohungen wahrnehmen.

Berufliche Veränderungen und Motivation der Beschäftigten

In den vergangenen zwei Jahren spielte die ökologische Transformation eine eher untergeordnete Rolle bei konkreten beruflichen Veränderungen. Von denjenigen, die ihren Arbeitsplatz, Beruf oder Wohnort gewechselt oder an Weiterbildungen teilgenommen haben, gaben lediglich 1,4 Prozent die ökologische Transformation als Grund an. Viel entscheidender für solche Veränderungen sind der Wunsch nach mehr Erfüllung im Beruf und eine bessere Bezahlung (jeweils 40 Prozent) sowie allgemein bessere Arbeitsbedingungen (31 Prozent).

Für die kommenden zwei Jahre erwartet nur eine Minderheit der Befragten direkte Auswirkungen auf ihr Berufsleben durch den ökologischen Wandel: 4 Prozent rechnen mit einer Umschulung oder Weiterbildung, ebenfalls 4 Prozent mit einem Wechsel des Arbeitsplatzes, 3 Prozent mit einem Wohnortswechsel und 2 Prozent mit einem Berufswechsel. Diese Zahlen sind zwar relativ niedrig, zeigen aber dennoch einen Anstieg der beruflichen Mobilität durch den ökologischen Wandel.

Anpassungsbedarf und Weiterbildung

Die ökologische Transformation führt dazu, dass sich viele Beschäftigte Gedanken über die Zukunftsfähigkeit ihrer Qualifikationen machen. 10 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass ihre aktuellen Fähigkeiten in Zukunft weniger gefragt sein werden, während 42 Prozent erwarten, dass ihre Qualifikationen stärker nachgefragt sein werden. Eine Mehrheit von 56 Prozent rechnet damit, neue Fähigkeiten erwerben zu müssen, um mit den veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes Schritt zu halten.

Die Befragung zeigt zudem, dass Beschäftigte sowohl vom Staat als auch von ihren Arbeitgebern Unterstützung in diesem Transformationsprozess erwarten. 61 Prozent wünschen sich mehr Informationen vom Staat, während 59 Prozent entsprechende Angebote von den Unternehmen erwarten. Besonders wichtig ist den Befragten die Möglichkeit, Weiterbildungen während der Arbeitszeit wahrzunehmen (65 Prozent). Auch finanzielle Unterstützung ist ein Thema: 54 Prozent erwarten diese in erster Linie vom Arbeitgeber, während 40 Prozent eine Förderung durch den Staat wünschen.

Forderung nach Planungssicherheit und schnelleren Veränderungen

Ein zentrales Anliegen vieler Beschäftigter ist die Planungssicherheit im Rahmen des ökologischen Wandels. 84 Prozent der Befragten fordern eine bessere Planung und verlässliche Rahmenbedingungen für die Transformation. Mehr als 60 Prozent sprechen sich sogar für eine Beschleunigung des ökologischen Umbaus aus, während nur 16 Prozent der Meinung sind, dass dieser verlangsamt werden sollte.

Fazit: Wandel als Herausforderung, aber auch als Chance

Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die ökologische Transformation zwar als Herausforderung wahrgenommen wird, aber nicht als unmittelbare Bedrohung für die meisten Arbeitsplätze. Vielmehr erkennen viele Beschäftigte die Notwendigkeit zur Anpassung und Weiterbildung.

„Der ökologische Wandel verändert den Arbeitsmarkt. Das erkennen viele Beschäftigte und erwarten Herausforderungen durch die Transformation insgesamt. Das Risiko negativer Folgen für den eigenen Arbeitsplatz schätzt eine Mehrheit allerdings als gering ein“, erklärt Christina Vonnahme, Leiterin der RWI/IAB-Nachwuchsgruppe „Ökologische Transformation, Arbeitsmarkt, Aus- und Weiterbildung“.

Ronald Bachmann, Leiter des RWI-Kompetenzbereichs „Arbeitsmärkte, Bildung, Bevölkerung“, ergänzt: „Viele Tätigkeitsprofile werden sich durch die ökologische Transformation deutlich verändern. Erwerbstätige werden in diesen Bereichen aufgrund der ökologischen Transformation nicht zwingend ihren Beruf aufgeben müssen. Ganz ohne Anstrengung wird es allerdings auch nicht gehen. Regelmäßige Weiterbildungen spielen dabei eine Schlüsselfunktion. Hierbei sind passende Angebote und die Teilnahmebereitschaft der Beschäftigten entscheidend.“

Die Befragung, die auf einer Stichprobe von 4.040 Personen basiert, wurde im Rahmen des von der E.ON Stiftung geförderten Projekts „Sozialökologisches Panel – Fortführung und Weiterentwicklung“ durchgeführt und zeigt, dass der ökologische Wandel sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die Arbeitswelt mit sich bringt. Entscheidend wird sein, wie Politik, Unternehmen und Beschäftigte gemeinsam diesen Wandel gestalten.

Quelle: RWI Essen