Neue Vodafone-Studie: Digitalisierung kann 1,5 Millionen fehlende Arbeitskräfte in Deutschland kompensieren

Die fortschreitende Digitalisierung in Kombination mit künstlicher Intelligenz (KI) reduziert den Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland um etwa 1,5 Millionen. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Wirtschaftsforschungsfirma Prognos, die im Auftrag des Vodafone-Instituts für Gesellschaft und Kommunikation durchgeführt wurde. Die Experten gehen jedoch nicht davon aus, dass dies zu massenhafter Arbeitslosigkeit führt. Vielmehr wird in den kommenden Jahren ein Fachkräftemangel als größeres Problem angesehen, anstatt eines Mangels an Arbeitsplätzen. „In vielen Bereichen ist es vorteilhaft, wenn die Digitalisierung Prozesse vereinfacht oder kostengünstiger gestaltet“, erklärte Andreas Sachs, der Studienleiter von Prognos, in einem Gespräch mit der Rheinischen Post: „Das Angebot an Arbeitskräften in Deutschland wird aufgrund der Alterung stärker zurückgehen als die Nachfrage nach Arbeitskräften.“ Der Studie zufolge könnten insbesondere im Verkehrssektor, in der Industrie, der Verwaltung und im Gesundheitswesen erhebliche Produktivitätssteigerungen erzielt werden.

Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft. Die Studie zeigt, dass die Digitalisierung enorme Potenziale bietet, um diesen Engpass zu entschärfen. Durch den Einsatz digitaler Technologien können Arbeitsprozesse effizienter gestaltet und Personalressourcen optimal genutzt werden. In den vier untersuchten Bereichen Umwelt & Mobilität, Wirtschaft, Gesundheit & Soziales und Verwaltung sind die Effizienzgewinne durch digitale Lösungen erheblich.

Im Gesundheitswesen könnten durch den Einsatz digitaler Technologien bis zu 9,9 Millionen Arztkontakte pro Jahr ermöglicht werden, die sonst dem Mangel an Personal zum Opfer fielen. Dies wird durch die Zeitersparnis erreicht, die digitale Systeme bei administrativen Aufgaben und Diagnosen bieten. Beispielsweise kann künstliche Intelligenz dabei helfen, Muster zu erkennen und schnelle sowie präzise Diagnosen zu stellen. Roboter können zur Assistenz von Pflegekräften und von Ärzten bei Operationen eingesetzt werden.

Auch im öffentlichen Verkehr zeigt die Studie beeindruckende Zahlen: Durch eine beschleunigte Digitalisierung könnten bis zu 510 Millionen zusätzliche Fahrgäste jährlich befördert und so 361 Millionen Autofahrten vermieden werden. Dies würde nicht nur den Verkehr entlasten, sondern auch einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Von autonomen Shuttle-Bussen über Reiseplanung in Echtzeit bis hin zur automatisierten Steuerungstechnik können digitale Anwendungen einen erheblichen Beitrag zu mehr Effizienz und Sicherheit im öffentlichen Verkehr leisten.

Die wirtschaftlichen Vorteile der Digitalisierung sind ebenfalls beachtlich. Durch den verstärkten Einsatz digitaler Lösungen könnten bis zu 72,9 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung allein in der industriellen Produktion gesichert werden. Beschleunigte Digitalisierung kann dabei helfen, die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland zu erhalten und die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland zu verhindern. Die automatisierte Datenauswertung aus Produktionsanlagen in Echtzeit, kollaborative Roboter und digitale Steuerungsprozesse mit IoT- und KI-Technologien können für schnellere und reibungslose Prozesse in der Industrie sorgen.

In der öffentlichen Verwaltung könnten digitale Technologien ebenfalls die Effizienz erheblich steigern. Die Studie ermittelt, dass durch beschleunigte Digitalisierung bis zu 4,2 Millionen Stunden Wartezeit bei Behördengängen eingespart werden könnten. Dies würde nicht nur die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger erhöhen, sondern auch die Verwaltung entlasten und deren Leistungsfähigkeit verbessern. Hier sorgen vor allem Online-Services wie BAföG Anträge, digitale Ummeldungen und E-Rechnungen für eine einfache und schnelle Bearbeitung von Verwaltungsanliegen.

Die Studie offenbart deutliche regionale Unterschiede im Digitalisierungspotenzial. Besonders hohe Potenziale finden sich in den industriell geprägten Regionen im Süden und Osten Deutschlands. In diesen Gebieten gibt es zahlreiche Berufe und Tätigkeiten, die durch digitale Technologien effizienter gestaltet werden können. Beispielsweise in Landkreisen wie Sonneberg, Dingolfing-Landau und der Stadt Wolfsburg, wo ein erheblicher Teil der Tätigkeiten digital unterstützt werden kann. Durch die Volkswagen AG und deren Zulieferer vor Ort werden beispielsweise in Wolfsburg viele Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe nachgefragt, die zu großen Teilen automatisierbar sind.

Im Gegensatz dazu weisen ländliche und nördliche Regionen sowie bestimmte Stadtgebiete geringere Digitalisierungspotenziale auf. Regionen wie Garmisch-Partenkirchen, Heidelberg und Herne haben aufgrund ihrer Wirtschaftsstruktur weniger Berufe, die von digitalen Lösungen profitieren könnten.

Diese regionalen Unterschiede unterstreichen die Notwendigkeit maßgeschneiderter Strategien zur Förderung der Digitalisierung. Während in einigen Regionen der Fokus auf die Implementierung spezifischer digitaler Lösungen gelegt werden sollte, benötigen andere Gebiete möglicherweise eine umfassendere Unterstützung bei der digitalen Transformation.

„Digitalisierung eröffnet uns nicht nur die Möglichkeit, den Fachkräftemangel zu mildern, sondern sie bietet auch die Chance, neue Arbeitsmodelle und innovative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Besonders in strukturschwachen Regionen können digitale Technologien neue Perspektiven schaffen und wirtschaftliche Impulse setzen“, betont Dr. Andreas Sachs, Leiter der Studie und Projektleiter bei der Prognos AG.

Die Studie „Potenzialindex Deutschland“ wurde von der Prognos AG im Auftrag des Vodafone Instituts durchgeführt. Sie vergleicht den voraussichtlichen Fachkräftebedarf mit aktuellem Digitalisierungstempo mit einem Szenario beschleunigter Digitalisierung im Jahr 2035. Eine tiefergehende Analyse erlaubt es, das Potenzial digitaler Technologien in den Bereichen Umwelt & Mobilität, Wirtschaft, Gesundheit & Soziales sowie Verwaltung darzustellen. Damit zeigt die Studie, wie digitale Lösungen den Fachkräftemangel lindern, die Effizienz in den untersuchten Sektoren steigern und einen Ausfall privater und öffentlicher Leistungen verhindern können.

Hintergrundinformation:

Das Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation ist Vodafones europäischer Think Tank. In Zusammenarbeit mit Instituten, Universitäten und Organisationen entstehen innovative Visionen für eine digitale und nachhaltigere Zukunft. Klare Handlungsempfehlungen für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft sollen nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Handeln anregen. Insbesondere bei der Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels spielen digitale Technologien und Innovationen eine immer wichtigere Rolle. Das Vodafone Institut fördert wissenschaftliche Forschung zu diesem Thema und veröffentlicht neueste Erkenntnisse in umfangreichen Studien sowie Strategie- und Forschungspapieren. Damit bieten die Inhalte Anstoß zu einer breiteren Debatte auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene und sollen den Austausch zwischen Vordenkern dieser Disziplinen auch im europäischen Kontext fördern.