Preise steigen nur vorübergehend stärker
Droht nach der Corona-Pandemie ein heftiger und lang anhaltender Inflationsschub? Manche Experten sehen Anzeichen dafür, doch das IW gibt in einer neuen Studie Entwarnung und analysiert die Gründe.
Im Euroraum soll die Europäische Zentralbank (EZB) die Inflationsrate „unter, aber nahe 2 Prozent“ halten. Doch warum ist eine moderate Teuerungsrate erstrebenswert? Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick in die Vergangenheit:
Im Jahr 1923 lag die Inflationsrate in Deutschland bei unglaublichen 208 Milliarden Prozent.
Das führte damals vor allem zu zwei Problemen – und das wäre heute genauso:
Armut. Wer genug Vermögen besitzt, um es beispielsweise in Immobilien zu investieren, kann es dadurch inflationssicher anlegen. Denn wenn alles deutlich teurer wird, gilt das auch für Sachwerte. Wer dagegen nur etwas Geld auf der Bank und einen vertraglich fixierten Monatslohn hat, ist einer rapiden Geldentwertung schutzlos ausgeliefert – wenn Produkte rasant teurer werden, kann er sich immer weniger leisten und verarmt.
Fehlende Signalwirkung. Eigentlich sind steigende Preise ein Signal dafür, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung auf einem Markt knapp ist. Im Normalfall bietet ein Unternehmen dann mehr von diesem Produkt oder der Dienstleistung an oder die Konkurrenz wittert ihre Chance. Wenn die Preise allerdings flächendeckend rasant zulegen, ist nicht mehr ersichtlich, ob es wirklich eine Knappheit gibt – und wenn ja, wo genau.
Deshalb ist es verständlich, dass die EZB und andere Zentralbanken weltweit die Entwicklung der Inflation genau überwachen und notfalls eingreifen.
Aktuell stellt sich die Frage, ob solch ein Eingriff bald nötig wird, weil die Inflationsrate stark steigt.
Haushalte sparen in Corona-Zeiten mehr
Tatsächlich gibt es dafür einige Anzeichen. Zum Beispiel die Sparquote: Sie misst den Anteil der Ersparnis eines Haushalts am verfügbaren Einkommen – also den Prozentsatz des Einkommens, den der Haushalt nicht für Konsumgüter ausgibt. Und dieser Anteil ist durch die Pandemie deutlich gestiegen:
Im Jahr 2017 betrug die Sparquote in der Eurozone rund 12 Prozent. Im Jahr 2020 lag sie bei 20 Prozent und im ersten Quartal 2021 noch immer bei 17 Prozent.
Das bedeutet, dass die Haushalte in der Corona-Pandemie deutlich mehr Geld als vorher auf die hohe Kante legen. Verständlich, denn es gibt aktuell weniger Möglichkeiten, Geld auszugeben, da Kulturstätten sowie Restaurants und Kneipen geschlossen sind und Reisen nur eingeschränkt möglich ist. Die gestiegene Ersparnis könnte also nach der Pandemie in Nachholeffekte münden und die Preise treiben, weil das Angebot die überbordende Nachfrage nicht bedienen kann.
Staatsausgaben steigen rasant
Ein weiterer Aspekt, der mit Blick auf die Inflationsgefahr ins Feld geführt wird, sind die zusätzlichen Staatsausgaben in der Corona-Pandemie. So hat etwa die US-Regierung unter Präsident Biden einen 1,9-Billionen-Dollar-Plan auf den Weg gebracht, um die Folgen der Pandemie abzumildern. In Deutschland sind die Zahlen ähnlich schwindelerregend, wie das IW errechnet hat:
Etwa 650 Milliarden Euro neue Schulden wird Deutschland bis 2022 aufnehmen, um die Folgen der Pandemie zu bekämpfen.
Diese zusätzlichen Staatsausgaben könnten die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen befeuern und die Inflation treiben.
Sobald die Pandemie überwunden ist, so ein weiteres Argument, könnten Firmen gezwungen sein, Fachkräfte zu deutlich höheren Löhnen wieder einzustellen.
Allerdings dürften sich all diese Preiseffekte laut IW im Rahmen halten.
Auf Nachholeffekte folgt Normalisierung
So wird sich das Preisniveau aufgrund von Nachholeffekten bei Konsum, Reisen und (Kultur-)Veranstaltungen zwar einmalig erhöhen, die Inflationsrate wird sich danach aber wieder normalisieren – schließlich werden beispielsweise Restaurantbesuche und Fernreisen höchstwahrscheinlich dauerhaft nicht mehr nachgefragt werden als vor der Pandemie.
Zudem werden viele Produktionskapazitäten aktuell bei Weitem nicht ausgeschöpft oder sind rasch auszuweiten.
Mit Blick auf die zusätzlichen Staatsausgaben in der Pandemie muss zudem berücksichtigt werden, dass sie größtenteils nur dazu gedacht sind, den Status quo von vor der Krise zu halten. Sprich: Die staatlichen Ausgaben ersetzen private, sie führen nicht zu zusätz-licher Nachfrage. Dies gilt beispielsweise für das Kurzarbeitergeld in Deutschland und ähnliche arbeitsmarktpolitische Instrumente in anderen Staaten. Die Firmen verwenden die Hilfsgelder außerdem fast ausschließlich, um ihre laufenden Kosten zu decken und nicht für Investitionen.
Maximal vorübergehend eine höhere Inflationsrate
Auch der Blick über den Großen Teich zeigt, dass die Konsumgutscheine, die dort schon unter Trump ausgegeben wurden, keinesfalls primär in den Konsum flossen und dadurch die Preise trieben:
Rund 40 Prozent der US-Haushalte mit einem Jahreseinkommen von bis zu 40.000 Euro nutzten die Konsumgutscheine im Frühjahr 2020 dazu, ihre Schulden zu tilgen, 31 Prozent sparten das Geld. Die Haushalte mit höheren Einkommen handelten ähnlich.
Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft