Viele Unternehmen leiden unter Lieferengpässen

Material fürs Bauen, Computerchips, Fahrräder, Zulieferprodukte für die chemische Industrie, für die Metall- und Elektroindustrie und fürs Handwerk. Viele Güter sind in den vergangenen Monaten so knapp geworden, dass es fast überall zu Lieferengpässen und enormen Preissteigerungen kommen wird. Dies ist der Ergebnis einer aktuellen Befragung des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Auch in unserem Podcast berichteten wir bereits darüber.

Für die gegenwärtigen Lieferproblematik kommen ganz unterschiedliche Ursachen und Erklärungen in Betracht:

– Für einige Produkte ist schlichtweg die Nachfrage in der Corona-Krise deutlich angestiegen. Exemplarisch gilt dies etwa für Fahrräder oder ausgewählte Güter im Gesundheitsbereich.

– An anderer Stelle kam es zu einem Einbruch infolge der Lockdown-Maßnahmen und dann zu einer überraschend schnellen Erholung, auf die sich Lieferanten nicht rechtzeitig einstellen konnten. Die Erholung des Welthandels und damit der Nachfrage nach deutschen Exportgütern war im Vergleich mit früheren Krisen erheblich schneller. Damit entsteht ein Lieferstau, der langsam abgearbeitet werden kann.

– Auch der globale Warentransport leidet noch unter der Corona-Pandemie. Nach der Vollbremsung der Weltwirtschaft und des Welthandels vor einem Jahr muss vieles nachgeliefert werden. Vor allem auf dem Weg von China nach Europa stockt es, weil beispielsweise Container und zum Teil auch Schiffsbesatzungen fehlen.

– Einzelereignisse wie der Brand von Halbleiter-Fabriken oder die zwischenzeitliche Blockade des Suez-Kanals haben die Situation weiter verschärft. Während dieser für den Welthandel wichtige Schifffahrtsweg wieder frei ist, lassen sich zerstörte Produktionskapazitäten nicht ohne weiteres ersetzen.

– Auch Handelskonflikte tragen zu Knappheiten bei. So sollen sich beispielsweise chinesische Elektronik-Hersteller mit Chips eingedeckt haben, um sich vor möglichen Handelskonflikten zu schützen.

RP- Chefreporter Reinhard Kowalewsky schreibt dazu: Speziell das Handwerk in NRW ist alarmiert. „Gestörte Lieferketten sind ein Hauptrisiko für die wirtschaftliche Erholung“, sagte Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk NRW, unserer Redaktion. Knapp seien alle wichtigen Vorprodukte von Holz über Metalle bis hin zu Dämmwolle, Farben und Silikonen. „Der Preisdruck ist massiv. Preissteigerungen kommen in rascher Folge“, berichtet Thomas Dopheide, Tischlermeister und Kreishandwerksmeister in Düsseldorf. „Farben und Dämmstoffe sind kaum mehr zu erhalten oder werden nicht geliefert. Ich muss Aufträge strecken oder schieben“, sagt Jörg Schmitz, Obermeister der Maler- und Lackierer-Innung in der Landeshauptstadt. „Ich muss zwei oder mehr Stunden Materialakquise am Tag betreiben – jeden Tag“, klagt Dachdecker Eduard Fuchs. Und sein Kollege Jens-Peter Richard aus Mülheim an der Ruhr sagt: „Für die bereits vorhandenen Aufträge konnten wir uns noch versorgen. Unser Dachdecker-Einkauf hatte vorgewarnt.“ Doch bei Fenstern etwa lägen die Lieferzeiten bei zehn Wochen – das sei doppelt so lange wie vor einigen Monaten.

Betroffen ist auch der Groß- und Außenhandel in NRW. Aufträge gibt es genug, aber wenn nicht geliefert werden, stehen die Händler auf dem Schlauch.

Vielfach kommen verschiedene Faktoren zusammen. Im Fall der fehlenden Verfügbarkeit von Halbleitern, die etwa in der Autoindustrie bereits zu Produktionsunterbrechungen in Deutschland geführt hat, kommen die hohe Nachfrage nach Unterhaltungselektronik, die zwischenzeitliche Krise und entsprechende Bestellanpassung der Autoindustrie, der Ausfall von Produktionskapazitäten und der zusätzliche Lageraufbau aufgrund von Handelskonflikten zusammen.

Die Folge sind Lieferengpässe für eine Reihe von Produkten, aber auch höhere Preise. So ist beispielsweise der Holzpreis in den letzten Monaten deutlich angestiegen. Auch Metalle bewegen sich gemessen am Industriemetallpreisindex (IMP-Index) auf Rekordniveau (Bardt, 2021). Höhere Preise für knappe Güter sind eine normale marktwirtschaftliche Reaktion. Diese fördert eine effiziente Ressourcenallokation, beschleunigt damit die Auflösung von Engpässen und führt die knappen Güter zu den dringendsten Verwendungen. Bestehende strukturelle Behinderungen, vor allem auf der Produktionsseite und in den Lieferketten, lassen sich damit kurzfristig und je nach Güterart auch mittelfristig jedoch nicht beheben.

Um das Ausmaß der aktuellen Betroffenheit in der deutschen Wirtschaft durch Lieferengpässe bei wichtigen Vorleistungen zu ermitteln, hat das Institut der deutschen Wirtschaft eine Blitzumfrage unter Wirtschaftsverbänden durchgeführt. Befragt wurden nur diejenigen Verbände, in deren Wirtschaftsbereich Vorleistungen eine besondere Bedeutung spielen. Damit liegt der Befragung eine Vorauswahl zugrunde, welche Ergebnisse erwarten lässt, die von einem gesamtwirtschaftlichen Betroffenheitsgrad abweichen dürften (Bardt/Grömling, 2021). Die Befragung fand im Zeitraum vom 3. bis zum 11. Mai 2021 statt. An der Befragung haben sich 23 Verbände beteiligt. Für den Bereich Handwerk haben zwei Fachverbände exemplarisch teilgenommen. In der Abbildung werden nur diejenigen Wirtschaftsverbände dargestellt, die geringe, mittlere und starke Risiken durch Vorleistungsengpässe bei den von ihnen vertretenen Unternehmen diagnostizieren.

Gut 40 Prozent der insgesamt von Vorleistungsverknappungen betroffenen Branchenverbände sehen kurzfristig stark wirkende inländische Lieferengpässe. Das gilt zum Beispiel für die Automobil- und Kunststoffindustrie, die Textil- und Lederindustrie, das Baugewerbe oder die Maler und Lackierer. Ein weiteres Drittel der Verbände, wie etwa die Maschinen und Anlagenbauer, diagnostiziert eine mittelschwere Beschränkung. Bei den ausländischen Vorleistungen ist dies am aktuellen Rand nur unwesentlich anders. Dabei sollte bedacht werden, dass auch inländische Engpässe indirekt durch vorauslaufende internationale Vorleistungen behindert werden können. Rund ein Viertel der Verbände – wobei nochmals auf die zugrundeliegende Vorauswahl der betrachteten Wirtschaftsbereiche hingewiesen wird – sieht zum Zeitpunkt der Befragung geringe Geschäftsrisiken durch ausbleibende Vorleistungen aus dem In- und Ausland. Als Beispiel kann etwa die Mineralölwirtschaft genannt werden.

Die mittelfristigen Aussichten sind zwar etwas besser, sie liefern aber keinen Grund zur Entwarnung. So sinkt der Anteil der schwer betroffenen Branchen deutlich auf 14 Prozent im Fall von inländischen Engpässen und auf ein Viertel bei internationalen Vorleistungen. Umgekehrt steigt der Anteil der Verbände an, die mittlere Auswirkungen in den kommenden drei Monaten erwarten. Der Anteil mit mittelfristig geringen Beeinträchtigungen durch fehlende inländische und ausländische Zulieferungen steigt auf 40 Prozent an. Trotz dieser Verschiebungen bleiben die Geschäftsrisiken jedoch mittelfristig auf einem hohen Niveau.

Auf Seiten der Unternehmen werden kurzfristig vielfältige Handlungsoptionen genutzt, um Engpässe zu überwinden und die eigenen Produkte anbieten zu können (Bardt/Grömling/Niendorf, 2021). Das betriebliche Risikomanagement war diesbezüglich bereits im vergangenen Frühjahr gefordert. Demnach können alternative Lieferanten gesucht werden. Logistikengpässe in der Schifffahrt lassen sich in bestimmten Fällen über den Flugtransport überwinden. Zusätzliche Produktionskapazitäten hingegen brauchen mehr Zeit und können in einer Reihe von Güterbereichen den nächsten Monaten kaum oder gar nicht helfen.

Die wirtschaftspolitischen Handlungsoptionen sind begrenzt, aber dennoch bedeutsam. Ohne offene Grenzen entstehen zusätzliche Knappheiten und Verteuerungen, die vermieden werden können. Die Grenzen offen zu halten und den europäischen Binnenmarkt zu sichern gehört damit weiterhin zum ökonomischen Aufgabenkatalog der Pandemiebekämpfung. Auch auf internationaler Ebene muss der Sorge um den freien Handel begegnet werden. Dies gilt auch für medizinische Produkte. Die Pandemie und ihre ökonomischen Auswirkungen verstärken die Notwendigkeit, multilaterale Strukturen von WTO und WHO gemeinsam weiterzuentwickeln. Schließlich können die Staaten den Unternehmen helfen, Zugang zu weiteren Beschaffungsmärkten zu erhalten und somit die Diversifizierung des Einkaufs unterstützen. Einen direkten Eingriff in die Einkaufspolitik der Unternehmen darf daraus aber nicht abgeleitet werden. Dies ist unternehmerische Verantwortung.

Letztlich signalisieren die Lieferengpässe aber auch, dass es ein Nachfrageproblem infolge der Pandemie und der Pandemiebekämpfung in den industriellen Bereichen derzeit nicht gibt. Der Einkaufsmanagerindex ist in den Industrieländern wieder auf dem Vorkrisenniveau angekommen.

Teurer wird es trotzdem, schreibt Reinhard Kowalewsky in der RP: Bei Massivholz ist von Preissteigerungen um bis zu 250 Prozent seit Weihnachten zu hören, bei Betonstahl um 30 Prozent, bei Trockenbauprofilen und Dämmstoffen um 50 Prozent. Wird die Krise nicht gelöst, sieht Handwerkspräsident Ehlert schwarz: „Hält der Mangel an, könnten Baustopps und Kurzarbeit die Folge sein – trotz voller Auftragsbücher“. Dachdecker Fuchs sagt: „Ich muss vorkaufen, wo immer ich etwas bekomme, um für die nächsten acht bis zehn Wochen annähernd versorgt zu sein.“

Mit Material der Rheinischen Post und des Instituts der Deutschen Wirtschaft.