Warum gibt es Fachkräftemangel und zugleich Menschen ohne Job?

So viel Prozent dieser Personengruppe waren ohne Berufsausbildung, Ausländer, über 55 Jahre alt, schwerbehindert oder alleinerziehend

Die Betriebe in Düsseldorf klagen über Fachkräftemangel und: wir spüren ihn auch nahezu Tag für Tag im Alltag. Trotzdem sind über 25.000 Menschen in unserer Stadt ohne Job (über 7 Prozent). Warum ist das so?, werden wir oft gefragt. Unsere Expertinnen und Experten vom Institut der Deutschen Wirtschaft haben uns das erklärt.

Restaurants haben nur noch drei Tage in der Woche geöffnet, der Zugverkehr auf einigen Nebenstrecken ist längst eingestellt und auf einen Termin beim Facharzt oder Handwerker wartet man teils monatelang. Arbeitskräftemangel nahezu in allen Branchen. Wir erleben in im Alltag fast täglich.

Und dies sind die vier Gründe:

1.) Sucharbeitslosigkeit. Nicht jeder, der arbeitslos wird, findet sofort den perfekten neuen Job. Vielmehr müssen die meisten eine Weile nach einer passenden Tätigkeit suchen. Das ist normal für einen funktionsfähigen Arbeitsmarkt. Mehr noch: Sucharbeitslosigkeit kann bis zu einem gewissen Grad sogar gesamtwirtschaftlich effizient sein. Denn Arbeitnehmer sind in einem perfekt passenden Job in der Regel produktiver als in einem, den sie nur annehmen, um schnellstmöglich wieder eine Stelle zu haben.

2.) Qualifikation. Es ist keinesfalls so, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitsuchenden immer zu den Anforderungen passen, die für offene Stellen benötigt werden (Grafik):

Deutlich mehr als 50 Prozent der kurzzeitig Arbeitslosen verfügten im Juli 2023 über keine abgeschlossene Berufsausbildung, bei den Langzeitarbeitslosen waren es sogar mehr als 60 Prozent.

Gleichzeitig gibt es nur wenige offene Stellen für entsprechend Geringqualifizierte. Gesucht werden stattdessen vornehmlich Fachkräfte (siehe: „Fachkräftelücke trotz Arbeitslosigkeit: Wie passt das zusammen?„).

Doch selbst eine abgeschlossene Berufsausbildung genügt oft nicht, um beruflich auf der sicheren Seite zu sein. Denn längst nicht jede qualifizierte Fachkraft ist gleichermaßen gefragt. So konkurrieren in Deutschland beispielsweise jeweils 25 arbeitslose Fachkräfte der Musikpädagogik um eine gemeldete offene Stelle, wohingegen jeder arbeitslose Mechatroniker hierzulande rein rechnerisch aus fünf Arbeitsplatzangeboten wählen kann.

Die Idee, Jobsuchende einfach beruflich weiterzubilden, ist indes nur bedingt erfolgversprechend. Schließlich muss die Weiterbildung zu den individuellen Neigungen und Fähigkeiten der Person passen.

Für kurzzeitig Arbeitslose funktioniert das besser als für Langzeitarbeitslose:

Sechs Monate nach Abschluss einer Weiterbildung hatten 70 Prozent der einstigen Empfänger von Arbeitslosengeld einen neuen Job gefunden, aber lediglich 39 Prozent der Langzeitarbeitslosen, die Bürgergeld beziehen.

3.) Mismatch. Im Sommer 2023 konkurrierten in Bayern rechnerisch 16 Arbeitslose um nur zehn gemeldete offene Stellen, in Berlin waren es dagegen 94. Dieses Beispiel zeigt, dass es ein erhebliches Mismatch zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen gibt – schon die generelle Arbeitslosigkeit unterscheidet sich zwischen Bundesländern und selbst zwischen Kreisen massiv.

Während die Problematik bei Fachkräften insgesamt gar nicht so groß ist, ist sie bei Helfern umso gravierender – so kamen in Bayern im Juli dieses Jahres 36 Helfer auf je zehn passende Jobs, in Berlin waren es sogar 256.

Verringern könnte den regionalen Mismatch ein Umzug der Arbeitsuchenden dorthin, wo Personal benötigt wird. Doch das ist leichter gesagt als getan: Erstens sind viele Menschen in ihrem Umfeld sozial und kulturell verankert. Zweitens führt der oft zu erwartende eher geringe Verdienst am neuen Standort dazu, dass sich der Umzug schlicht nicht lohnt.

4.) Vermittlungshemmnisse. Bei der Frage, weshalb Arbeitslosigkeit trotz Arbeitskräftemangel Bestand hat, dürfen individuelle Vermittlungshemmnisse nicht unterschlagen werden. Häufig gibt es sogar gleich mehrere. Das gilt gerade für Langzeitarbeitslose.

Zu den Vermittlungshemmnissen gehören beispielsweise das fortgeschrittene Alter der Arbeitslosen oder gesundheitliche Einschränkungen. So sind 31 Prozent der Langzeitarbeitslosen älter als 55 Jahre – unter allen Erwerbsfähigen gilt das nur für 26 Prozent.

Hinzu kommt, dass bei langer Arbeitslosigkeit soziale Kompetenzen verlernt werden können – Pünktlichkeit zum Beispiel. Auch externe Widrigkeiten, wie die unzureichende Kinderbetreuung für Alleinerziehende, erschweren den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt. Gleiches gilt, wenn jemand alkohol- oder drogenabhängig ist oder hoch verschuldet.

Weil die Problemlagen und Hindernisse für eine Arbeitsaufnahme so individuell sind, braucht es auch individuelle Ansätze für die Wiedereingliederung – es gibt keine Patentlösung.

Quelle: IW Köln