Wende auf dem Ausbildungsmarkt? In Düsseldorf gibt es rein rechnerisch erstmals mehr Bewerber als Stellen

Birgitta Kubsch-von Harten (2.v.r.) mit unserem Hauptgeschäftsführer Michael Grütering (r.), Andrea Nahles, Vorsitzende des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit (2.v.l.) und Sigrid Wolf, Regionsgeschäftsführerin DGB. Foto: W.Meyer

(cs) Wird jetzt eine Wende auf dem Ausbildungsmarkt in unserer Stadt eingeläutet? Experten bejahen dies nicht grundsätzlich und sehen teilweise auch andere Gelingensbedingungen. Aber, die Zahlen der Agentur für Arbeit sprechen zunächst eine andere Sprache, denn: erstmals seit vielen Jahren gibt es rein rechnerisch mehr Jugendliche, die eine Ausbildungsstelle suchen, als angebotene Ausbildungsplätze. Für Jugendliche und Betriebe bedeutet das: aktiv werden, beraten lassen, Chancen ergreifen. Trotz der aktuellen Informationen bestehen für beide Seiten weiterhin gute Perspektiven. Entscheidend wird sein, wie schnell sich beide Seiten jetzt finden – bevor der Ausbildungsstart endgültig vor der Tür steht.

Seit Beginn des Berufsberatungsjahres im Oktober 2024 haben sich bei der Agentur für Arbeit 3.320 junge Menschen als Bewerberinnen und Bewerber registrieren lassen. Im gleichen Zeitraum wurden 3.218 betriebliche Ausbildungsplätze gemeldet – damit übersteigt die Zahl der Bewerber erstmals leicht die Zahl der Stellen.

„Zugreifen und Chancen nutzen ist jetzt das Motto“, betont Birgitta Kubsch-von Harten, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Düsseldorf. Denn trotz dieser neuen Entwicklung ist der Markt weiter aufnahmefähig: Rund 1.208 Ausbildungsstellen sind noch unbesetzt – gleichzeitig suchen noch 1.292 junge Menschen eine Ausbildungsstelle.

Die Agentur für Arbeit rät deshalb Jugendlichen, die bislang noch keine Zusage haben, dringend dazu, die letzten Wochen vor Ausbildungsbeginn im August zu nutzen. Über persönliche Gespräche, Video- oder Telefonberatung unterstützt die Berufsberatung bei der Suche nach passenden Optionen – sei es Ausbildung, weiterführende Schule oder Studium.

Auch Eltern können aktiv werden: Sie haben die Möglichkeit, gemeinsam mit ihrem Kind einen Beratungstermin zu vereinbaren, um die Berufswegeplanung erfolgreich zu gestalten.

Unternehmen müssen handeln – jetzt

Für Unternehmen ergibt sich eine doppelte Herausforderung: Sie müssen nicht nur ihre offenen Stellen zügig besetzen – auch ein Rückgang der Bewerberzahlen zeichnet sich für das kommende Jahr ab. Grund: 2026 fällt an den Gymnasien in Düsseldorf ein ganzer Abiturjahrgang weg. Kubsch-von Harten warnt: „Umso wichtiger ist es, in diesem Jahr alle Chancen zu ergreifen und Ausbildungsplätze aktiv zu besetzen.“

Der Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur bietet Betrieben dabei umfangreiche Unterstützung – von Bewerbertagen bis zur individuellen Beratung.

Aus Sicht der Arbeitgeberverbände wird die gemeldete Trendwende („mehr Bewerber als Stellen“) kritisch hinterfragt. Drei Gründe!

1. Nicht alle offenen Ausbildungsstellen werden der Agentur gemeldet

Einige Unternehmen – insbesondere größere Betriebe oder solche mit eigenen Recruiting-Abteilungen – melden ihre Ausbildungsplätze nicht an die Agentur für Arbeit, sondern besetzen sie eigenständig über eigene Kanäle (z. B. Unternehmenswebsite, Jobportale, Messen oder Social Media). Dadurch entsteht in der Statistik ein verzerrtes Bild, das das tatsächliche Stellenangebot unterzeichnet. Die reale Zahl der offenen Ausbildungsplätze dürfte also höher sein als offiziell erfasst. Ein Indiz dafür: Sehr oft berichten uns unsere Mitgliedsbetriebe, dass sie keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber finden können.


2. Statistische Effekte durch Doppelzählungen und „Scheinbewerbungen“

Nicht alle registrierten Bewerberinnen und Bewerber suchen aktiv oder ausschließlich nach einer Ausbildung. Viele Jugendliche lassen sich vorsorglich beraten und registrieren, entscheiden sich dann aber für andere Wege (z. B. weiterführende Schule oder Studium). Diese jungen Menschen gelten statistisch als Bewerber, stehen dem Ausbildungsmarkt aber de facto nicht zur Verfügung. Die Zahl der „echten“ Suchenden ist daher geringer, als die Statistik nahelegt.


3. Regionale Mobilität und Fachrichtungen spielen eine große Rolle

Aus Sicht der Arbeitgeber ist der Ausbildungsmarkt nicht homogen: Es gibt weiterhin Berufe mit einem massiven Mangel an Bewerbern, etwa im Handwerk oder in der System-Gastronomie. Gleichzeitig konzentriert sich die Bewerbernachfrage oft auf wenige attraktive Berufe (z. B. Kaufleute, Medienberufe). Auch die geringe Mobilität vieler Jugendlicher – sie suchen nur lokal oder in bestimmten Branchen – führt dazu, dass viele Stellen unbesetzt bleiben, obwohl rechnerisch ein Gleichgewicht besteht. Statistisch gleicht sich das aus – praktisch jedoch nicht. Vor allem die mittelständischen Betriebe berichten uns oft, keine bzw. Bewerbungen zu erhalten.

Arbeitslosigkeit gestiegen – auch bei Jugendlichen

Ein anderes Thema: Unsere Stadt verzeichnet einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Im Juli 2025 waren 29.370 Menschen in Düsseldorf arbeitslos gemeldet – ein Plus von 2,2 Prozent gegenüber dem Vormonat und 4,1 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Besonders auffällig: Die Zahl arbeitslos gemeldeter Jugendlicher stieg um satte 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt sind aktuell 1.977 junge Menschen unter 25 Jahren ohne Job.

Kubsch-von Harten erklärt: „Viele Jugendliche melden sich direkt nach Ausbildungsende arbeitslos, starten aber bald in eine neue Stelle. Sie bringen aktuelles Wissen aus den Betrieben mit – das macht sie für Arbeitgeber besonders attraktiv.“