Industrie 4.0 –Wie sind Umsetzungsstand und Erwartungen? Hilft sie in der Krise?
„Die Erwartungen an die Digitalisierung sind hoch,“ so Dr. Tim Jeske, wissenschaftlicher Experte beim ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft zu den Ergebnissen der aktuellen Studie des Instituts zu „Produktivitätsstrategien im Wandel – Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft“. Die Befragten erwarten Verbesserungen in sämtlichen Bereichen der Unternehmen – beispielsweise der Produktion, aber auch bei den Arbeitszeiten. Doch wie sieht es in der Realität aus? Wie viele Unternehmen nutzen die neuen Möglichkeiten? Diese und andere Daten sind in der Studie dokumentiert und hier sichtbar: www.arbeitswissenschaft.net/Studie_Digitalisierung_2019
Digitalisierung: Erwartungen und Aussichten
Die Erwartung an die Digitalisierung sind hoch. Die Befragten erwarten Verbesserungen unter anderem in der Produktion, bei der Gestaltung von Arbeitszeiten (zum Beispiel die Möglichkeit, Schichtarbeit bzw. Nachtarbeit zu reduzieren), beim Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit oder bei der Qualifizierung. Die Realität über die Nutzung der Digitalisierung sieht allerdings zum Zeitpunkt der Befragung anders aus: Weniger als die Hälfte der Unternehmen nutzt die Digitalisierung zur Geschäftsmodellentwicklung.
„Durch die Digitalisierung kann der Abschwung der Industrie durch Krisen, wie aktuell die Corona-Pandemie, gemildert werden. Denn in unserer Studie haben die Befragten bereits im Sommer 2019 angegeben, dass sie durch die Digitalisierung einen Produktivitätszuwachs von 38 Prozent bis zum Jahre 2027 erwarten. Das bedeutet, dass die Unternehmen das Potenzial schon vor der Krise erkannt haben und sie es nun nutzen können. Wie hoch das Potenzial aktuell ist, lässt sich allerdings kaum einschätzen,“ so Jeske.
Der Druck zur Digitalisierung nahm bereits 2019 durch die Kunden zu. „Im Vergleich zu einer ähnlichen Befragung von 2015 wurden kundenseitige Forderungen nach Einführung digitaler Technologien als Grundlage für die weitere Zusammenarbeit um 30 Prozentpunkte häufiger genannt.“
Die Einführung digitaler Technologien verändert auch die Anforderungen an Führungskräfte – insbesondere hinsichtlich Qualifizierung, Art und Weise der Führung und digitaler Kompetenzen. 69 Prozent der Befragten geben an, die Führungskultur im Betrieb ändern zu wollen. Die Coronakrise trägt jetzt maßgeblich dazu bei, diesen Prozess zu beschleunigen.
Die Auswirkungen von Industrie 4.0 bzw. digitalen Technologien auf Beschäftigte wurden bereits im Jahr 2015 in der ifaa-Studie „Industrie 4.0 in der Metall- und Elektroindustrie“ mit einer vergleichbaren Fragestellung erhoben. Eine Zunahme der Bedeutung des Menschen als Entscheider wird aktuell (2019) mit doppelter Häufigkeit erwartet.
Die Verfügbarkeit von Echtzeitdaten nimmt zu
Die Verfügbarkeit von Echtzeitdaten wächst, ist bei 58 % der Befragten gegeben. Die Erfassung und Nutzung von Echtzeitdaten erhöht die Möglichkeiten schneller und effektiver auf veränderte Situationen reagieren zu können. Zu beachten ist die Entwicklung im Vergleich zu 2017: Die Verfügbarkeit von Echtzeitdaten ist um 7 Prozentpunkte gestiegen.
Informations- und Unterstützungsbedarf besteht bei den Unternehmen vor allem für die Themen cyber-physische Systeme, Produktivitätsstrategien und Industrial Engineering. Dazu werden insbesondere konkrete Best-Practice-Beispiele gewünscht.
Lean Management wird wichtiger denn je
Die Methoden des Lean Management sind gefragt wie nie. Denn in unsicheren Zeiten helfen verlässliche und einheitliche Standards, Ordnung im System zu halten Digitalisierung voranzutreiben und zu nutzen. „Je größer das Chaos von außen, umso wichtiger werden die Methoden des Lean Managements,“ stellt der Experte fest.
Die genannten Daten beziehen sich auf Antworten aus der Metall- und Elektroindustrie. Die Befragung entstand im Rahmen des Forschungsprojekts TransWork, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert sowie vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut wird (Förderkennzeichen: 02L15A164).