Rheinmetall im ersten Halbjahr 2020: Defence bleibt Stabilitätsanker in der Corona-Krise
Die Düsseldorfer Rheinmetall AG zeigt im ersten Halbjahr Widerstandskraft in einem herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Umfeld. Die Defence-Sparte des Technologiekonzerns setzt ihren Wachstumskurs fort und legt beim Ertrag deutlich zu. Allerdings konnte damit die krisenbedingt rückläufige Entwicklung im Unternehmensbereich Automotive nur zu einem Teil ausgeglichen werden. Insgesamt verzeichnete der Rheinmetall-Konzern im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum daher einen Umsatzrückgang und eine Verringerung des operativen Ergebnisses.
Für das laufende Jahr bestätigt und präzisiert der Technologiekonzern seine Prognose 2020 vom März dieses Jahres für den erwarteten Geschäftsverlauf des Defence-Bereichs. Im Gesamtjahr 2020 wird aus heutiger Sicht ein Umsatzwachstum zwischen 6% und 7% erwartet (bisher 5% bis 7%). Für die operative Marge des Bereichs wird nunmehr ein Wert von rund 10% angestrebt, also das obere Ende der Jahresprognose von 9% bis 10%.
Bei Automotive ist eine eng gefasste Prognose derzeit aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Nachfrage- und Produktionsentwicklung in der Automobilindustrie nicht möglich. Die Unternehmensführung strebt für den Bereich aus heutiger Sicht jedoch ein operatives Jahresergebnis zwischen -30 MioEUR und Break-even an.
Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG: „Unsere Defence-Sparte ist mit ihrer starken Performance der Stabilitätsanker von Rheinmetall in der Krise. Bei Automotive waren wir wie die gesamte weltweite Automobilbranche insbesondere im zweiten Quartal von den massiven Produktionsrückgängen und der allgemeinen Marktschwäche betroffen. Mit einem strikten Kostenmanagement ist es uns aber gelungen, die krisenbedingten Auswirkungen deutlich einzugrenzen. Daran halten wir fest. Im laufenden Geschäftsjahr wollen wir bei Defence weiter profitabel wachsen und streben nun eine operative Marge von 10% an. Die Situation bei Automotive bleibt nach wie vor sehr herausfordernd. Aber wir werden in den kommenden Monaten alles daran setzen, uns beim operativen Jahresergebnis dem Break-even so weit wie möglich zu nähern und das Geschäft in den Folgejahren wieder positiv zu entwickeln.“
Rheinmetall Konzern: Starker Defence-Bereich sorgt für Stabilität in der Krise
Der Konzernumsatz ist im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreswert um 217 MioEUR oder um 7,7% auf 2.597 MioEUR zurückgegangen. Währungsbereinigt lag der Rückgang bei 7,0%.
Der Umsatzrückgang im Konzern resultiert ausschließlich aus dem Unternehmensbereich Automotive, der durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie einen massiven Rückgang der Umsatzerlöse um 484 MioEUR gegenüber dem Vorjahr verzeichnen musste. Dagegen erweist sich der Unternehmensbereich Defence als stabiles Standbein in der Krise. Der Bereich kann den Umsatz – trotz staatlich angeordneter Werksschließungen im Zuge des Corona-Lockdowns in einzelnen Ländern – im Vorjahresvergleich um 266 MioEUR steigern.
Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Unternehmensbereiche zeigt sich demzufolge auch beim operativen Ergebnis für das erste Halbjahr 2020. Während der Unternehmensbereich Defence das operative Ergebnis um 52 MioEUR auf 122 MioEUR gesteigert hat, verzeichnete Automotive ein negatives operatives Ergebnis von -41 MioEUR und lag damit um 143 MioEUR unter dem entsprechenden Vorjahreswert. Im Bereich Sonstige/Konsolidierung ging das operative Ergebnis um 2 MioEUR leicht zurück. Für den Konzern ergibt sich damit ein operatives Ergebnis von 70 MioEUR, das um 93 MioEUR hinter dem Vorjahreswert von 163 MioEUR zurückbleibt.
Das berichtete Ergebnis vor Zinsen und Steuern im Konzern (EBIT) lag im ersten Halbjahr 2020 mit -232 MioEUR um 402 MioEUR unter dem Vorjahresergebnis. Neben der rückläufigen operativen Ergebnisentwicklung ist die Verringerung des berichteten EBIT größtenteils auf negative Sondereffekte von 302 MioEUR zurückzuführen. Diese umfassen Wertminderungen in Höhe von 300 MioEUR, die nahezu ausschließlich auf die Automotive-Division Hardparts entfallen. Die Wertminderungen resultieren vor allem aus dem in Folge der Corona-Pandemie drastisch reduzierten Produktionsvolumen der internationalen Automobilindustrie im Jahr 2020 sowie aus den aktuellen Expertenschätzungen, die – verglichen mit den Prognosen und Planungsannahmen vor der Corona-Krise – von einer auch mittelfristig deutlich geringeren Wachstumsdynamik bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen ausgehen. Zudem wurden im Unternehmensbereich Defence Sondereffekte aufgrund von Restrukturierungsmaßnahmen in Höhe von 2 MioEUR erfasst.
Automotive: Starker Umsatzrückgang und striktes Kostenmanagement in der Corona-Krise
Der Unternehmensbereich Automotive konnte sich den negativen Auswirkungen der globalen Krise in der Automobilindustrie nicht entziehen und verzeichnete im ersten Halbjahr einen Umsatzrückgang um 34% auf 956 MioEUR (Vorjahr: 1.440 MioEUR). Währungsbereinigt sank der Umsatz um 33%. Die globalen Fertigungszahlen von Light Vehicles gingen gemäß den Angaben von IHS Markit Vehicle Production Forecast (Update vom 4. August 2020, Fahrzeuge unter 6t) im ersten Halbjahr 2020 im Vorjahresvergleich um 33% zurück.
Automotive schloss die ersten sechs Monate 2020 in Folge des krisenbedingten Umsatzrückgangs mit einem operativen Ergebnis von -41 MioEUR ab, nach 102 MioEUR im ersten Halbjahr 2019. Die operative Marge betrug -4,3% (Vorjahr: 7,1%). Das berichtete Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) lag im ersten Halbjahr 2020 mit -341 MioEUR ebenfalls deutlich unter dem Vorjahreswert von 104 MioEUR, was größtenteils aus den im zweiten Quartal 2020 erfassten Wertminderungen in Höhe von 300 MioEUR resultiert.
Ausschlaggebend für die negative Entwicklung des operativen Ergebnisses war vor allem der krisenbedingt fehlende Umsatz im zweiten Quartal 2020, der sich – aufgrund des zeitweise nahezu vollständigen Stillstands der Automobilproduktion in Europa und Nordamerika – um mehr als die Hälfte (53%) gegenüber dem Vorjahreswert reduzierte. Dieser Entwicklung steuerte die Unternehmensführung durch ein striktes Kostenmanagement entgegen. Durch umfangreiche und schnell wirkende Maßnahmen konnte die negative Ergebnisentwicklung im Automotive-Bereich in ihrer Höhe deutlich abgemildert werden. Zur Sicherung der Liquidität wurden zudem die Nettoinvestitionen im ersten Halbjahr um 40% gegenüber dem Vorjahr reduziert.
Die Division Mechatronics erreichte im ersten Halbjahr 2020 Umsatzerlöse von 520 MioEUR. Der Umsatz lag damit um 288 MioEUR oder 36% unter dem Wert des Vorjahreszeitraums. Das operative Ergebnis der Division verringerte sich infolge des Umsatzrückgangs auf -15 MioEUR, nach 66 MioEUR im Vorjahr.
Die Umsatzerlöse der Division Hardparts lagen im ersten Halbjahr 2020 mit 332 MioEUR um 172 MioEUR oder 34% unter dem Vorjahreswert. Trotz der beschriebenen Maßnahmen zur Kostenreduktion betrug das operative Ergebnis der Division Hardparts -29 MioEUR und lag somit um 51 MioEUR unter dem Vorjahreswert.
In der Division Aftermarket reduzierten sich die Umsatzerlöse im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 26 MioEUR oder 15% auf 150 MioEUR. Das operative Ergebnis der Division betrug 6 MioEUR. Dieser Rückgang um 11 MioEUR gegenüber dem Vorjahreswert von 17 MioEUR wurde sowohl durch geringere Umsätze als auch durch die erstmalige Zuordnung von Aktivitäten im Bereich Mikromobilität zur Division Aftermarket verursacht.
In China konnten die dortigen Joint-Venture-Gesellschaften, die in den Umsatzzahlen des Unternehmensbereichs Automotive nicht enthalten sind, nach dem frühzeitigen Corona-bedingten Umsatzeinbruch im ersten Quartal 2020 ihre Umsätze im Zuge der Erholung der chinesischen Automobilkonjunktur im zweiten Quartal wieder steigern. Im ersten Halbjahr 2020 erreichten die Gesellschaften einen Umsatz von 393 MioEUR und lagen damit 14% unter dem Vorjahreswert. Im Vergleich dazu ging die Produktion von Light Vehicles in China im gleichen Zeitraum um 22% zurück.
Defence: Starkes Umsatzwachstum und überproportionale Ertragssteigerung
Im ersten Halbjahr 2020 steigerte der Unternehmensbereich Defence seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 19% oder 266 MioEUR auf 1.641 MioEUR (Vorjahr: 1.375 MioEUR). Der deutliche Zuwachs resultierte unter anderem aus höheren Abrufen und vorgezogenen Lieferterminen durch Kunden.
Das operative Ergebnis des Bereichs erhöhte sich überproportional zum Umsatzanstieg im Vorjahresvergleich um 75% auf 122 MioEUR. Damit stieg die operative Ergebnis-Marge auf 7,4% nach 5,0% im Vorjahreszeitraum. Aufgrund von Sondereffekten für Restrukturierungsmaßnahmen in Höhe von 2 MioEUR betrug das berichtete Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) 120 MioEUR und lag damit um 52 MioEUR über dem Vorjahreswert von 67 MioEUR.
Mit einem Zuwachs von 39% erhöhte sich auch der Auftragseingang des Unternehmensbereichs deutlich. Rheinmetall Defence verbuchte im ersten Halbjahr 2020 Aufträge im Wert von 1.483 MioEUR, nach 1.065 MioEUR im Vergleichszeitraum.
Der Auftragsbestand des Unternehmensbereichs Defence lag zum 30. Juni 2020 bei 10.125 MioEUR. Gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres von 8.307 MioEUR entspricht dies einem Anstieg um 22%, der vor allem aus volumenstarken Auftragseingängen im Bereich militärischer Fahrzeuge resultiert.
Der Umsatz der Division Weapon and Ammunition konnte – im Wesentlichen getrieben durch ein internationales Munitionsgeschäft – im ersten Halbjahr 2020 von 384 MioEUR im Vorjahr auf 443 MioEUR gesteigert werden. Dies entspricht einem Zuwachs von 59 MioEUR oder 15%. Das operative Ergebnis der Division erhöhte sich auf 15 MioEUR im ersten Halbjahr 2020, nach -1 MioEUR im Vorjahreszeitraum.
Die Division Electronic Solutions verzeichnete im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr einen Umsatzanstieg von 8,0% oder 29 MioEUR auf 398 MioEUR. Das operative Ergebnis der Division erhöhte sich um 8,9% auf 29 MioEUR (Vorjahr: 27 MioEUR).
Die Division Vehicle Systems steigerte ihren Umsatz im ersten Halbjahr 2020 von 718 MioEUR auf 903 MioEUR. Der Anstieg um 185 MioEUR oder 26% gegenüber dem Vorjahr ist maßgeblich auf gestiegene Lieferzahlen von logistischen und taktischen Fahrzeugen an die Bundeswehr und die australischen Streitkräfte zurückzuführen. Das operative Ergebnis stieg von 45 MioEUR in der Vorjahresperiode auf 84 MioEUR im Berichtszeitraum, was einem Zuwachs von 88% entspricht.
Ausblick
Für den Unternehmensbereich Defence erwartet Rheinmetall aktuell keine nachhaltigen Auswirkungen aus der Corona-Krise auf die Geschäftsentwicklung im laufenden Jahr. Deshalb wird die Mitte März 2020 veröffentlichte Jahresprognose für den Defence-Bereich bestätigt und aufgrund der positiven Entwicklung im ersten Halbjahr 2020 weiter präzisiert. Für das Gesamtjahr 2020 wird aus heutiger Sicht ein Umsatzwachstum zwischen 6% und 7% (bisher: 5% bis 7%) erwartet. Für die operative Marge wird nunmehr ein Wert von rund 10% erwartet, also das obere Ende der Jahresprognose von 9% bis 10%.
Im Unternehmensbereich Automotive sind die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Endkundennachfrage, die Produktionszahlen der Automobilhersteller und auf die globalen Lieferketten weiterhin nicht verlässlich prognostizierbar. Ein an die veränderte Marktsituation angepasster Umsatz- und Ergebnisausblick für das Gesamtjahr 2020 ist unter den gegebenen Unsicherheiten weiterhin nicht möglich. Unter der Voraussetzung, dass ein erneuter Lockdown ausbleibt, wird für den Bereich Automotive aus heutiger Sicht ein operatives Jahresergebnis zwischen -30 MioEUR und Break-even angestrebt.