Die Ampeln vor dem Haus des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln stehen symbolisch auf Rot, wenn es um unsere Konjunktur geht. Foto: Unternehmerschaft Düsseldorf
Die deutsche Wirtschaft steht weiterhin auf der Stelle. Laut der aktuellen Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2024 voraussichtlich kaum über das Niveau des Vorjahres hinauskommen. Besonders die Industrie und die Bauwirtschaft leiden unter einer anhaltenden Schwächephase, während der Dienstleistungssektor die Konjunktur vor einem tieferen Abschwung bewahrt.
Von Christoph Sochart; mit Material des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln
Schwache Industrie und Bauwirtschaft
Im ersten Halbjahr 2024 sank das reale BIP in Deutschland um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung ist vor allem auf die schwache Entwicklung im Produzierenden Gewerbe (minus 2,8 Prozent) und in der Bauwirtschaft (minus 3,4 Prozent) zurückzuführen. Gründe hierfür sind die geringe globale Nachfrage, politische Unsicherheiten und steigende Kosten für Materialien und Finanzierungen. Die Bauindustrie, ohnehin von hoher Unsicherheit geprägt, steht vor besonders großen Herausforderungen.
Lichtblick Dienstleistungssektor
Während die Industrie und Bauwirtschaft schwächeln, stützt der Dienstleistungssektor die deutsche Konjunktur. Im ersten Halbjahr 2024 übertraf die reale Wertschöpfung dieses Sektors das Vorjahresniveau um 1,6 Prozent. Besonders stark ist die Entwicklung in Bereichen wie Unternehmensdienstleistungen, öffentlichem Sektor und sozialen Dienstleistungen. Diese positive Entwicklung verhindert eine tiefe Rezession, doch ein echter Aufschwung bleibt vorerst aus.
Preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigtes Bruttoinlandsprodukt in Deutschland, 4. Quartal 2019 = 100
Außenhandel und Investitionen im Rückgang
Der Außenhandel leidet ebenfalls unter der schwachen globalen Konjunktur. Die deutschen Exporte fielen im ersten Halbjahr um 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, während die Importe aufgrund der schwachen Inlandsnachfrage um 2,6 Prozent zurückgingen. Für das Gesamtjahr erwartet das IW einen Rückgang der Exporte um 1 Prozent und der Importe um 2 Prozent.
Noch düsterer sieht es bei den Investitionen aus: Die Bruttoanlageinvestitionen werden gemäß IW-Prognose im Jahr 2024 real um 3 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr. Besonders stark betroffen sind die Ausrüstungsinvestitionen, die voraussichtlich um 5,5 Prozent zurückgehen werden, während die Bauinvestitionen um fast 4 Prozent sinken.
Arbeitsmarkt zeigt Stabilität, aber steigende Arbeitslosigkeit erwartet
Trotz der schwachen Konjunktur bleibt der Arbeitsmarkt relativ stabil. Die Zahl der Erwerbstätigen wird im Jahresdurchschnitt 2024 voraussichtlich um 0,25 Prozent steigen. Dies liegt vor allem daran, dass Unternehmen in Erwartung zukünftiger Fachkräfteengpässe ihre Mitarbeiter halten. Dennoch erwartet das IW einen Anstieg der Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent im Vorjahr auf 6 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte im Jahresdurchschnitt 2,8 Millionen erreichen.
Ausblick
Die IW-Prognose zeigt deutlich, dass die deutsche Wirtschaft weiterhin mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert ist. Trotz eines stabilen Dienstleistungssektors und eines leichten Anstiegs der Konsumausgaben bleibt der erhoffte konjunkturelle Aufschwung aus. Insbesondere in der Industrie und im Baugewerbe muss sich die Lage grundlegend verbessern, um langfristig nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen. Auch die Unternehmensstimmung im Euroraum sinkt im übrigen auf den niedrigsten Stand seit sieben Monaten. Der Einkaufsmanagerindex von S&P Global, der „Stimmungsindikator“ unserer Wirtschaft, fiel zum Vormonat um 1,4 Punkte auf 49,6 Zähler.
Reale Veränderung im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 in Prozent