Forderungsempfehlung der IG Metall: „Höhere Kosten sichern weder Arbeitsplätze noch Kaufkraft“

+ Der IG-Metall-Vorstand empfiehlt für die M+E-Tarifrunde ein „Forderungsvolumen von bis zu 4 Prozent“ bei einer Laufzeit von zwölf Monaten und einen Rahmen für Arbeitszeitreduzierung zur Jobsicherung. Außerdem würden Anpassungsschritte für die ostdeutschen Beschäftigten bei Arbeitszeit und Stundenentgelt und tarifliche Regelungen zur Verbesserung der Ausbildung und des dualen Studiums, insbesondere die unbefristete Übernahme der Ausgebildeten, gefordert.

+ Die Arbeitgeberseite wies die Forderungen zurück. Gesamtmetall-Präsident Dulger erklärte: „Die Metall- und Elektro-Industrie liegt nach wie vor weit unter dem Niveau, auf dem sie vor Corona und Rezession bereits war. Erst dann, wenn wir den Einbruch aufgeholt haben und dort sind, wo wir schon einmal waren, kann man von Wachstum sprechen, und erst ab dann gibt es überhaupt irgendeinen Verteilungsspielraum. Ich begrüße zwar die Einsicht, dass angesichts des Wirtschaftseinbruchs und des Strukturwandels die Sicherheit der Arbeitsplätze im Mittelpunkt stehen muss. Sichere Arbeitsplätze gibt es nur mit wettbewerbsfähigen Produkten und Standortbedingungen. Jetzt so zu tun, als haben die Bedingungen, für die die Tarifparteien eine große Verantwortung tragen, nichts damit zu tun, ist eine bemerkenswerte Verdrängung. Dass die wirtschaftliche Lage der Unternehmen unterschiedlich ist, stimmt auch. Diesen Hinweis hat die IG Metall in guten Zeiten nicht gelten lassen, aber die späte Einsicht ist zu begrüßen. Dafür passende Lösungen zu finden ist auch unser Ziel. Wir haben schwierige Verhandlungen vor uns. Dabei müssen wir auch unter Beweis stellen, dass der Flächentarif nicht nur in guten Zeiten Antworten findet, sondern auch in schwierigen Zeiten für Beschäftigte und Unternehmen einen Vorteil bietet. Es geht um viel. Dass wir uns vor Beginn der Verhandlungen dabei nicht einig sind, liegt in der Natur der Sache. Am Ende müssen wir uns einig sein. Bislang ist uns das immer wieder gelungen. Es wird auch dieses Mal gelingen. Wenn wir gemeinsam anpacken.“

+ Metall-NRW-Hauptgeschäftsführer Mallmann erklärte, die vorgeschlagene Vier-Tage-Woche sei „ein hochinteressantes Feld“, solange die Regelung freiwillig bleibe: „Option ist hier das Zauberwort. Anders geht es aus wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht nicht.“ Mallmann sprach von „Realitätsverlust“ mit Blick auf die Gewerkschaftsforderung: „Die Reißleine Personalabbau ist noch nicht gezogen worden. Bei 4 Prozent Entgelterhöhung würden dies sicher viele Unternehmen tun. Es wird entscheidend sein, ob es gelingt, weiter mit Hilfe von Kurzarbeit Beschäftigung zu sichern. Gerade im mittelständisch geprägten Nordrhein-Westfalen versuchen die Unternehmen alles, um ihre Leute zu halten. Mallmann warnte angesichts der weiteren Forderungen nach Angleichung der Ost- an die Westtarife sowie, analog zu Azubis, Übernahmegarantien für Beschäftigte, die ein duales Studium absolvieren: „Wir werden uns hüten, noch einmal so einen komplizierten Abschluss zu machen wie 2018.“

+ NORDMETALL-Tarif-Verhandlungsführerin Lena Ströbele hat mit Unverständnis auf die heute vorgelegte Forderungsempfehlung der IG Metall für die Tarifrunde 2021 in der Metall- und Elektroindustrie reagiert. „Wir begrüßen zwar ausdrücklich, dass die IG Metall in ihre Forderungsempfehlung Elemente zur Arbeitsplatzsicherung und Krisenbewältigung der M+E-Industrie miteinbezieht. Aber gerade vor diesem Hintergrund ist es absolut kontraproduktiv, unserer Branche weitere Kosten aufbürden zu wollen“, warnte die Personaldirektorin der Fr. Lürssen-Werft in Bremen. „Die Einkommen und die Kaufkraft der Beschäftigten sichert man nachhaltig am besten dadurch, dass möglichst viele von ihnen trotz Krise ihren Arbeitsplatz behalten.“ NORDMETALL gehe mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsfirmen zu stärken und zugleich so viele Arbeitsplätze wie möglich zu sichern, in die Tarifrunde 2021, betonte Ströbele. Die Tarifverhandlungen beginnen im Norden am 14. Dezember in Hamburg. „Hier wollen wir an den bisher geführten konstruktiven Dialog anknüpfen: Dass die IG Metall Küste explizit die Themen Arbeitsplatzsicherung und Zukunftsentwicklung in den Fokus gestellt hat, scheint mir dafür eine gute Basis.“

+ Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (vbm), Bertram Brossardt, erklärte, es sei „schön und richtig“, Beschäftigungssicherung zu fordern. Aber die Produktion liege mehr als 17 Prozent unter Vorjahr: „Deshalb ist ein Forderungsvolumen von bis zu 4 Prozent aus der Zeit gefallen. Für 2021 gibt es nichts zu verteilen.“ Die Arbeitszeit in manchen Betrieben durch eine Vier-Tage-Woche zu verkürzen, könne jedoch durchaus eine Lösung sein: „Aber die IG Metall will zusätzliche Kosten erzeugen, und die kann es in dieser Lage nicht geben.“

+ NiedersachsenMetall-Hauptgeschäftsführer Schmidt verweis angesichts der Forderungsempfehlung des IGM-Vorstands aus den „gegenwärtigen Wirtschaftseinbruch ohne Beispiel“. Niemand könne derzeit verlässlich sagen, wann die niedersächsische Industrie wieder Licht am Ende des Tunnels sehe, so Schmidt: „Damit steht die Tarifpolitik vor der größten Herausforderung seit mindestens zehn Jahren. NiedersachsenMetall und IG Metall sind aufgefordert, in Niedersachsen gemeinsam den Karren aus dem Dreck zu ziehen.“ Schmidt sieht die „schwerste Krise unserer Industrie“ auch als „Weckruf“ für die IG Metall und kritisierte: „Stattdessen folgt die Forderungsempfehlung des IG Metall-Vorstands nach Arbeitszeitverkürzung mit Teil-Lohnausgleich altem Denken.“ In das gleiche Horn stoße die Forderung nach einer Lohnerhöhung von bis zu 4 Prozent für alle: „In der härtesten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland gibt es keinen Verteilungsspielraum. Die Mehrzahl unserer mittelständischen Unternehmen steckt in den roten Zahlen. Es geht um Beschäftigungssicherung und differenzierte Lösungen – beides ist ein Gebot dieser Tarifrunde.“