Homeoffice-Pflicht ist unangebracht

Verpflichtendes Homeoffice wäre ein gravierender Eingriff in die betriebliche Disposition, für den die Grundlage fehlt. Zudem ist nicht überall möglich oder gar sinnvoll, dauerhaft von zuhause aus zu arbeiten.

Von Dr. Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfelds Arbeitsmarkt und Arbeitswelt

Mit steigenden Infektionszahlen werden in Teilen der Politik die Rufe nach einer Homeoffice-Pflicht lauter. Dabei wird aber übersehen, dass die Verlagerung der beruflichen Aufgaben in die vier Wände ihrer Beschäftigten bereits seit Beginn der Pandemie eine der wichtigsten Corona-Maßnahmen der Unternehmen darstellt. Eine Pflicht wäre ein enormer Eingriff in die betriebliche Dispositionshoheit – und das, obwohl es keine Evidenz gibt, dass Arbeitsstätten Infektionsherde waren (mit Ausnahme der Fleischindustrie, die nicht ins Homeoffice verlegbar ist).

Unternehmenskultur und Innovationsfähigkeit bleiben außen vor

Darüber hinaus kann Homeoffice die Produktivität erhöhen – sofern es freiwillig geschieht. Verpflichtendes, dauerhaftes Homeoffice wirkt dagegen gegenteilig, vernachlässigt zudem die Bedeutung für Innovationsfähigkeit und Unternehmenskultur. Beide Faktoren können nicht dauerhaft von Substanz leben.
Repräsentative Befragungsdaten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von Mitte September zeigten darüber hinaus, dass knapp drei Viertel der Beschäftigten, bei denen die Tätigkeit dies grundsätzlich zuließ, auch im Homeoffice arbeiteten. Die Anzahl der Homeoffice-Tage dürfte zwar etwas geringer gewesen sein als noch im ersten Lockdown. Allerdings ist zu erwarten, dass die Verbreitung von Homeoffice und die Nutzungsintensität derzeit angesichts der steigenden Infektionszahlen wieder zunehmen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Schulschließungen.

Arbeitsschutzregeln setzen Standards

Allerdings kann es auch aktuell Fälle geben, wo auf das Homeoffice verzichtet werden muss, weil zum Beispiel die IT-Infrastruktur am heimischen Arbeitsplatz nicht ausreichend ist, Datensicherheit und Datenschutz nicht gewährleistet werden können oder arbeitsorganisatorische Gründe die Anwesenheit erfordern. Dies gilt auch dort, wo der Staat selbst als Arbeitgeber auftritt. Für diese Fälle, aber auch für die Mehrheit der Tätigkeiten, die sich grundsätzlich nicht in das heimische Büro verlagern lassen, existieren mit den Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregeln des Bundesarbeitsministeriums bereits Standards, die Unternehmen zur Verringerung des Infektionsrisikos auf der Arbeit verantwortungsbewusst umsetzen.

Quelle: IW KÖLN