Geschichte der Transporter-Cockpits bei Mercedes-Benz Vans
Ebenso wie die Arbeitsplätze der Lkw-Fahrer spiegelt auch die Evolution des Transporter-Cockpits den technischen Fortschritt über Jahrzehnte wider. Wie effizient und ergonomisch Fahrer und Beifahrer heute ihren Tätigkeiten nachgehen und sich wohlfühlen können, zeigt auf besondere Weise die neue Generation des Mercedes-Benz Sprinter. Keyless Start, leistungsstarke Klimaanlagen, rückenschonende Sitze sowie das optionale 9G-TRONIC Automatikgetriebe und das Multimediasystem MBUX sind nur einige Details, mit denen der Sprinter seinen Nutzern den Alltag erleichtert. Die ersten Lieferwagen-Fahrerplätze glichen hingegen noch eher einem Kutschbock, und ähnlich wie Pferdekutschen fuhren sich die Urahnen der heutigen leichten Nutzfahrzeuge auch. Erst langsam entwickelte sich aus dem spartanischen Arbeitsplatz im Freien das moderne Cockpit mit zahlreichen Komfortmerkmalen aus dem Pkw-Bereich.
Die Fahrzeugklasse der Transporter ist beinahe so alt wie das Automobil selbst, auch wenn der Begriff „Transporter“ damals noch nicht existierte. Einer der ersten Vertreter seiner Art weltweit war der Benz Combinations-Lieferungs-Wagen der damaligen Benz & Cie. aus dem Jahr 1896. Der „kleine Kutschierwagen mit abnehmbarem Kastenaufbau“ war vom Personenwagen „Victoria“ abgeleitet, verfügte anfangs über einen 2,5 PS starken Einzylindermotor und konnte 300 Kilogramm Zuladung schultern. Ausgeliefert wird der erste „Transporter“, der Fahrer saß auf einem notdürftig gepolsterten Bock, an das Pariser Kaufhaus Du bon Marché. Eine Windschutzscheibe gab es für ihn ebenso wenig wie ein festes Dach oder ein Lenkrad. Der Combinations-Lieferungswagen war stattdessen lediglich mit einer senkrecht stehenden Lenkkurbel ausgestattet. Schutz vor Regen bot allenfalls ein kleiner Dachvorsprung am Kofferaufbau. Dem Stand der Technik entsprechend übertrug ein Dreigang-Getriebe mit Kettenantrieb die Kraft an die Hinterräder, und statt des heute üblichen elektrischen Signals drückte der Fahrer eine simple Ballhupe. Auch die Daimler-Motoren-Gesellschaft bot ab dem Jahr 1897 unter der Bezeichnung „Daimler-Geschäftswagen“ eine Lieferwagen Modellreihe für Nutzlasten von 500 bis 2000 kg an.
1911: Benz-Gaggenau Lieferungswagen mit Suchscheinwerfer und Klappverdeck
Bereits deutlich mehr Komfort für den Fahrzeuglenker boten die Benz-Gaggenau Lieferungswagen, die von 1911 bis 1916 unter der nutzlastabhängigen Typenbezeichnung D11, KL11 und B10 gebaut wurden. Anders als ihr Vorgänger verfügten sie über ein echtes Lenkrad mit schräg gestellter Lenksäule, was die Bedienung enorm erleichterte. Dennoch erforderte jede Lenkbewegung einen hohen Kraftaufwand. Über zusätzliche Hebel am Lenkrad ließen sich essenzielle Motorfunktionen wie Zündzeitpunkt und Gemisch regulieren. Zusätzlich zu den Hauptscheinwerfern konnte ein Suchscheinwerfer installiert werden, der angesichts der trüben Straßenbeleuchtung jener Zeit bei Fahrten im Dunkeln eine große Hilfe war. Wie gehabt, saß der Fahrer noch im Freien, allerdings schützte ihn jetzt ein aufklappbares Textilverdeck vor Regenschauern. Eine Heizung war hingegen noch Zukunftsmusik, so dass sich Fahrer und Beifahrer im Herbst und Winter warm einpacken mussten.
1926: Mercedes-Benz L 1: vorklappbare Windschutzscheibe als Klimaanlage
Im Jahr der Fusion von der Daimler-Motoren-Gesellschaft und der Benz & Cie. kam der Mercedes-Benz L 1 auf den Markt. Das je nach Aufbau und Zuladung als Kleintransporter und Lkw verfügbare Fahrzeug wartete erstmals mit einer eigenständigen Kastenwagenvariante auf. Wichtigste Neuerung für Fahrer und Beifahrer war die geschlossene Kabine. Entgegen damaliger Nutzfahrzeuggepflogenheiten hatte sie sogar Seitenscheiben, was zum Erscheinungszeitpunkt des L 1 nicht einmal bei Personenwagen selbstverständlich war. Als „Klimaanlage“ für heiße Tage fungierte die vorklappbare Windschutzscheibe. Nützliche Details waren auch das Fenster in der Trennwand zum Ladeabteil, das einen Blick auf die Fracht erlaubte, und der weiterhin verfügbare Suchscheinwerfer.
1955: Mercedes-Benz L 319: Frontlenkercockpit mit guter Rundumsicht
1955 steckte die junge Bundesrepublik mitten im Wirtschaftswunder. Handwerk, Handel und Gewerbe verlangten nach passenden Transportmitteln, um die wachsende Auftrags- und Warenflut zu bewältigen. Mit dem L 319 präsentierte Mercedes-Benz die passende Antwort. Der erste eigenständige Transporter der Marke seit nahezu drei Jahrzehnten unterschied sich von seinen Vorgängern durch das moderne, platzsparende Frontlenker-Konzept. Das wegweisende Layout und der große Verkaufserfolg machten den L 319 zum Vorläufer zahlreicher erfolgreicher Transporter-Generationen von Mercedes-Benz bis hin zu den aktuellen Baureihen Sprinter und Vito.
Um einen komfortablen Einstieg zu ermöglichen, rückten die Entwickler die Vorderachse weit nach vorn, was zusammen mit der geschwungenen einteiligen Panorama-Frontscheibe dem 3,6-Tonner eine ganz eigene Optik verlieh. Das Armaturenbrett wartete mit einer Geschwindigkeitsanzeige und einem Kühlwasserthermometer auf. Eine Tankuhr fehlte noch. Der Fahrer musste anfangs selbst kalkulieren, wie weit der Kraftstoff im 60-Liter-Tank reichte. Der Schalthebel am Lenkrad war ein früher Vorläufer des Joysticks im aktuellen Sprinter. Blinker und Hupe wurden über einen Signalring am Volant betätigt. Der weit in die Kabine ragende, längs eingebaute Motor war akustisch präsent und erschwerte den Wechsel vom Fahrer auf den Beifahrersitz, dafür überzeugte das Cockpit mit einer durchgehenden offenen Ablage für Dokumente im Armaturenträger.
1967: „Düsseldorfer“ mit bequemem Einstieg
Im Jahr 1967 trat die Baureihe L 406 D, nach ihrem Poduktionsort gern auch „Düsseldorfer“ genannt, die Nachfolge des beliebten L 319 an. Trotz insgesamt eckigerer Formensprache im Stil der Zeit folgte das Konzept dem bewährten Vorgänger. Typisch für die Optik war eine nur angedeutete Kurzhaube, da der Motor auch bei der neuen Transportergeneration platzsparend in die Kabine ragte, allerdings nicht mehr so weit wie beim Vorgänger, so dass die Bewegungsfreiheit im Fahrerhaus deutlich zunahm. Ebenso markant war die analog zum L 319 weit vorn liegende Vorderachse zugunsten eines bequemen Einstiegs. An die Stelle der seitlich herumgezogenen Panorama-Frontscheibe trat eine große rechteckige Windschutzscheibe, vorne an den Seiten wie gehabt durch jeweils ein kleineres Fenster vor den Türen ergänzt, was für gute Sichtverhältnisse sorgte. Die Gänge wurden nicht mehr am Lenkrad gewechselt, sondern mit einem konventionell platzierten langen Schalthebel.
Dass der „Düsseldorfer“ stets auf der Höhe der Zeit blieb, stellten sorgfältige Modellpflegen über die langen Jahre seiner Produktionszeit sicher. Im Jahr 1977 zum Beispiel erfuhr die Baureihe eine umfangreiche Modellpflege, die im Inneren einen neuen Instrumententräger sowie Kurbel- statt der bis dahin üblichen Schiebefenster brachte. Außerdem gab es neue Bedienhebel und Griffe sowie ein angenehm griffig ummanteltes Lenkrad statt des bisherigen dünnen Bakelitvolants. Eine weitere Aktualisierung brachte dem „Düsseldorfer“ 1981 erstmals den Zündschlüssel. Bis dato wurde zum Starten des Motors und zum Einschalten des Abblendlichts ein zylindrischer Metallstift verwendet. Zugleich stattete das Werk die Großtransporter mit einer neuen Innenverkleidung aus, die das Geräuschniveau im Fahrerhaus deutlich reduzierte.
1977: längs- und höhenverstellbarer Fahrersitz im „Bremer“
1977 erweiterte Mercedes-Benz sein Transporterprogramm um ein neues Modell eine Gewichtsklasse unterhalb des „Düsseldorfers“: den TN („Transporter neu“), der wegen seines Fertigungsorts auch schnell „Bremer“ genannt wurde. Später bürgerte sich die Bezeichnung T 1 ein. Mehr denn je sollte die neue, extrem vielseitig konzipierte Baureihe mit 2,4 bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht bei Fahr- und Bedienungskomfort die Brücke zum Pkw schlagen. Hierfür nahmen die Entwickler Abschied von der bislang praktizierten reinen Frontlenkerbauweise sowie von Vorderradantrieb und Rahmenkonzept. Die Kurzhaube war deutlich weniger ausgeprägt als beim größeren Bruder, was zum einen den Zugang zum Motor und damit den Service erleichterte. Zum anderen war es dadurch möglich, die Vorderachse noch ein Stück weit vorzuverlegen und damit den Einstieg bequem niedrig zu halten. Aus Fahrer- und Beifahrersicht war dieses Konzept noch in anderer Hinsicht willkommen, weil der Motor weniger Platz im Innenraum wegnahm. Hierdurch gestaltete sich im Bremer Transporter der Durchstieg zur Seite und nach hinten in den Laderaum einfacher denn je.
Einen bislang unbekannten Komfort im Segment der leichten Nutzfahrzeuge bot auch der Fahrerarbeitsplatz. Serienmäßig stattete Mercedes-Benz die neuen Transporter mit einem längs und in der Höhe verstellbaren Fahrersitz aus. Hinter dem dick umschäumten Zweispeichen-Lenkrad lieferte die gut einsehbare und übersichtlich gegliederte Armaturentafel alle nötigen Informationen auf einen Blick. Für beste Sicht nach vorn sorgte die große Frontscheibe. Heizung und Lüftung verfügten über ein zweistufiges Gebläse.
1995: Der erste Sprinter mit funktional ausgestattetem und geräumigem Fahrerhaus
Nach knapp einer Million gefertigter Exemplare löste 1995 der Sprinter den T 1 ab. Die neue Transportergeneration führte mit traktionsstarkem Hinterradantrieb, vier Gesamtgewichten, einer Vielzahl an Varianten und einer umfangreichen Motorenpalette das Konzept des Vorgängers konsequent weiter. Zu den besonderen Merkmalen des Sprinter zählte überdies sein zeitlos-modernes Design ebenso wie das geräumige und besonders funktional ausgestattete Fahrerhaus, dessen Einrichtung in Form und Material inzwischen fast Pkw-Niveau erreichte. Da der Vorderwagen im Vergleich zum T 1 nochmals verlängert wurde und der Motor hierdurch weiter nach vorne rückte, stand nun noch mehr Fußraum zur Verfügung. Selbst mit einem Doppelbeifahrersitz kam keine Enge auf.
Zahlreiche Ablagen, darunter ein großzügig dimensioniertes, abschließbares Handschuhfach, erleichterten den Arbeitsalltag im Sprinter. Der Fahrersitz war zweimal in der Höhe verstellbar, damals im Transportersegment eine Sensation. Ein Novum waren ebenfalls die Drehregler für Heizung und Lüftung im Pkw-Stil inklusive eines kräftigen vierstufigen Gebläses und Umluftschaltung. Wohnliche Atmosphäre schufen auch die nahezu rundum verkleideten Wände und Türen. Der optionale Fahrer-Airbag, höhenverstellbare Dreipunkt-Sicherheitsgurte und Gurtschlösser am Sitz zeugten darüber hinaus von der Vorreiterrolle, die der Mercedes-Benz Sprinter in puncto Sicherheit einnahm.
2000: Joystick-Schalthebel und schwungvolle Armaturentafel für den Sprinter
Im Rahmen der Modellpflege wertete Mercedes-Benz im Jahr 2000 das Interieur weiter auf. Die bisher betont funktionelle geradlinige Instrumententafel war nun völlig neugestaltet. Sie zeigte dynamischen Schwung und erreichte sowohl mit ihrer Form als auch mit ihrer Materialqualität Pkw-Niveau. Dies galt besonders für den Sprinter Kombi mit einer weichen und lederartigen Oberfläche – für die anderen Varianten des Transporters war diese so genannte Softlook-Oberfläche optional lieferbar. Neben zusätzlichen Komfortdetails wie dem Getränkehalter in einer praktischen Schublade fiel vor allem der neue Schalthebel in Form eines Joysticks ins Auge. Er ragte jetzt griffgünstig aus der Mittelkonsole und erlaubte einen völlig freien Durchgang im Fahrerhaus.
2006: Cockpit mit viel Bewegungsfreiheit und Top-Ergonomie in der zweiten Sprinter Generation
Gutes noch besser machen, lautete die Devise auch für die zweite Sprinter Generation, die 2006 auf den Markt kam. Die Auswahl aus mehr als 1.000 Grundmodellen mit unterschiedlichen Karosserie-, Gewichts- und Antriebsvarianten sowie die erstmalige Verfügbarkeit offener Baumuster als Basis für individuelle Aufbauten setzten erneut Maßstäbe, ebenso die umfangreiche Serienausstattung. Unter anderem waren jetzt elektrisch betätigte Fensterheber und eine Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung Standard. Eine erweiterte Längsverstellung der Sitze und mehr Kopfraum steigerten nochmals die Bewegungsfreiheit. Das Lenkrad war nun auf Wunsch in Höhe und Neigung verstellbar.
Das Interieur glänzte darüber hinaus mit einer Vielzahl von durchdachten Ablagen, wie zum Beispiel eine Dachgalerie über der Windschutzscheibe. Außenspiegel mit zusätzlichen Weitwinkelgläsern vermittelten einen guten Blick auf den rückwärtigen Verkehr – der so genannte tote Winkel wurde auf ein Minimum reduziert. Charakteristisch für das neue Sprinter Cockpit war die herausgehobene Mittelkonsole mit dem Joystick-Schalthebel. Als wertvolle Arbeitshilfe bot Mercedes-Benz für den Sprinter erstmals das Infotainmentsystem COMAND APS mit integriertem Navigationssystem an. Ebenfalls neu war das Multifunktionslenkrad.
2018: Die dritte Generation des Sprinter mit sprachgesteuertem Multimediasystem MBUX
Einen Innovationsschub in jeder Hinsicht markiert die dritte Generation des Mercedes-Benz Sprinter, die 2018 debütierte und die Transporterklasse in Sachen Komfort, Ergonomie und Funktionalität neu definiert. Mit dem eSprinter stellte ihm Mercedes-Benz ein Jahr später erstmals eine rein batterieelektrische Variante zur Seite, die alle Vorteile der Transporter-Ikone mit lokal emissionsfreier Mobilität verbindet.
Zu den herausragenden Neuerungen des aktuellen Sprinter zählt unter anderem das Multimediasystem MBUX (Mercedes-Benz User Experience) mit 10,25-Zoll-Touchscreen, Sprachsteuerung und Sprachausgabe. Ein hohes Maß an Komfort erreichen die neuen, ergonomisch geformten Sitze. Sie lassen sich den individuellen Bedürfnissen des Fahrers anpassen und ermöglichen somit eine ergonomisch günstige Haltung auch auf längeren Strecken. Optional ist die Memory-Funktion für die elektrische Sitzverstellung mit an Bord. Neu sind auch Keyless-Start, „Drive Select“, Schaltpaddles am Lenkrad für Automatikgetriebe sowie eine verbesserte Klimaanlage. Die Klimatisierungsautomatik THERMOTRONIC regelt Gebläse, Luftverteilung und Temperatur automatisch.